Bei der Freisetzung nomadischer Kreativität tun sich Konzerne etwas schwerer als kleine Unternehmen. Um Prozesse zu integrieren, hat man für die Entwicklung des DUOCars auf externe Innovationsträger zurück gegriffen. Der Boom der Branche fördert solche Entwicklungen, stehen so doch umfangreiche Mittel für Weiterentwicklungen zur Verfügung.
Das Hymer DuoCar: Auf der Suche nach dem ultimativen Allrounder
Kastenwägen sind für neue Entwicklungen von besonderem Interesse. Mein persönlicher Blick ist immer auf der Suche nach kompakter Organisation, die auf maximal sechs Metern Länge einen Allrounder integriert: alltagstaugliches Fahrzeug, belastbarer Transporter, gemütlicher Wohnraum und repräsentatives Büro.
Äußerlich etwas unscheinbar, aber umso beeindruckender ist eine Studie mit dem Namen Hymer DUOCar, die sich der klassischen Frage nach dem optimalen Grundriss in Kastenwägen stellt. Eigentlich denkt man in der Auseinandersetzung mit den Marktangeboten, dass hier längst sämtliche Wiesen gemäht sind, aber umso beeindruckender ist, was das Hymer DuoCar zu bieten hat.
DUO steht für zwei und man könnte meinen, es steht für viele Grenzwerte in kleinen Reisemobilen: Wie bekomme ich auf knapp zwei Metern (Innen-)Breite ein zwei Meter langes Doppelbett und/oder ein zwei Meter langes Küchenboard unter? Nach eigener Aussage von Hymer ist jedoch das Ziel, einen Campingbus „zu konzipieren, der speziell auf die Ansprüche und Bedürfnisse von zwei Personen zugeschnitten ist“. Also beispielsweise die DINK-Couples oder Best-Ager-Paare, die über einen gewissen Wohlstand verfügen und (mittlerweile) ohne Kinder reisen. Oder wie wäre es mit einer Vater-Sohn-Tour?
Basis-Fahrzeug mit Vollverglasung
Als Basisfahrzeug hat man den Sprinter Personenbus Transfer eingesetzt. Der Sprinter Transfer zeichnet sich durch getönte Vollverglasung aus. Dadurch hat man überall grunsätzlich viel Licht und Aussicht ohne von anderen gesehen zu werden. Auch fällt gleich auf: die Studie hat auf beiden Seiten eine Schiebetür. Der Sinn erschließt sich nicht sofort. Denn die Seitentüre auf der Fahrerseite ist nicht begehbar.
Doch nach dem Öffnen erkennt man: Hier ist Stauraum auf der Rückseite der Inneneinrichtung, beispielsweise für Gartenmöbel. Der wird auch gebraucht, denn durch das neue Raumkonzept verliert man den Platz unter dem Bett, das meistens am Heck eingebaut wird. Im Hymer DUO Car ist das aber nicht der Fall.
Die zweite Flügeltüre hat aber noch zwei weitere Vorteile. Immer wieder bemängeln Kastenwagenfahrer, dass sie bei geöffneter Seitentür vollen Einblick in ihren Privatbereich gewähren müssen. Durch eine zweite Flügeltüre kann man je nach Standsituation wählen, welche Türe man öffnet, um Naturnähe herzustellen. Außerdem lässt sich der Block mit dem Tisch herausnehmen, so dass ein zweiter vollwertiger Eingang entsteht.
Grafik: © Hymer GmbH & Co. KG
Das Bad mit Nasszelle und Toilette
Das Bad wurde nach hinten an die Flügeltüren gesetzt und über die ganze Breite verteilt. In Fahrtrichtung links die Nasszelle mit Dusche und dem bewährten Klappwaschbecken. Links die Toilette, die man in einen Kasten schieben kann, darüber ein Kleiderschrank. Die Türe der Dusche ist so konstruiert, dass sie auch als Türe zwischen Bad und dem Rest des Wagens verwendet werden kann. Dieser Kniff macht den Kastenwagen zur Zweiraumwohnung.
Es besteht sogar die Möglichkeit, dass eine Person auf die Toilette gehen kann, während die andere duscht. Zugleich hat man bei eingeschobener Toilette einen zweiten Ein- und Ausgang an der rechten Flügeltür. Dadurch kann man das Bad auch wie eine Schleuse nutzen, beispielsweise, wenn man mit nassen und dreckigen Schuhen vom Wandern kommt. Dadurch wird es einfacher, den Wohnraum sauber zu halten. Die Positionierung des Bades schafft eine Rückwand, an der ein Flatscreen installiert wurde, so dass man aus den umgedrehten Sesseln der Fahrerkabine fernsehen kann.
Wohnküche mit Couch und Doppelbett
An die Rückwand der Dusche schließt eine Ledercouch an, die zum geforderten Zwei-Meter-Doppelbett umgebaut werden kann. Das macht mich zunächst skeptisch. Denn der Gedanke, jeden Abend das Bett beziehen zu müssen, ist nicht sehr verlockend. Doch Konzeptioner Alexander Kornelsen belehrt mich schnell eines besseren. Denn man zieht nicht einfach die Ledercouch aus, sondern dreht die Elemente auch um.
Die Polster sind so verarbeitet, dass auf den Unterseiten ein Stoff eingenäht wurde, der zugleich als Schlafunterlage benutzt werden kann. Sie ist mit einem Reißverschluss am Lederpolster befestigt und kann zum Waschen abgenommen werden. Nach diesem Aha-Effekt bin ich schnell überzeugt, dass hier ein besonderes Fahrzeug gelungen ist.
Denn die Positionierung von Bett und Couch schafft nicht nur den gewünschten Raum für das zwei Meter lange Küchenboard, sondern auch Bewegungsraum davor, der sonst oft sehr spärlich ist, wenn das Bad in der Mitte positioniert wird.
Ein weiterer „Raummacher“ sind die Hängeschränke. Deren Türen sind konkav. Das öffnet den Innenraum ohne Staumöglichkeiten zu verlieren. Am oberen Ende der Hängeschränke und unterhalb des Sofas wurden LED-Lichtleisten installiert, die angenehmes passives Licht und ebenfalls ein Gefühl von räumlicher Offenheit liefern. Optisch und funktionell alles ein echter Hingucker!
Bedenklich könnte sein, dass man nicht mehr an alle Fächer in der Küchenzeile, insbesondere den Kühlschrank heran kommt, wenn das Bett aufgebaut ist. Aber das ist lösbar, indem man die Kühlschranktür an die Seite macht und das Verstauen so organisiert, dass in der verbleibenden unteren Schublade rechts nur solche Dinge lagern, die man nachts nicht braucht.
Die Dinette und der Round Table
Die Dinette ist auch etwas anders ausgelegt als sonst üblich. Für das Zweimeterbett mit Bad hat man die klassische Sitzbank geopfert. Dennoch kann man auch auf dem Sofa Platz nehmen am Tisch, so dass gemeinsam mit den integrierten Fahrer- und Beifahrersitzen drei Personen Platz finden. Was jedoch fehlt, ist ein weiterer Sitz mit Dreipunktgurt für die Fahrt. Kein Problem, wenn man als Duo unterwegs ist.
Besonders erwähnenswert ist auch der Tisch, der nicht durch Drehung halbiert werden kann, sondern zusammenklappbar ist und in einem Kasten versenkt werden kann. Optisch eine sehr elegante Lösung, weil die unschöne Treppenform bei Drehtischen wegfällt. Und manchmal ist der Tisch tatsächlich im Weg. Dann lässt sich sogar der ganze Kasten ausbauen und im Freien aufstellen. Also auch hier ein ästhetisches Detail mit Raumgewinn.
Die Ideenentwicklung wurde nicht wie sonst üblich in den hymer-internen Strukturen realisiert. Man hat externe Partner eingebunden und sich so Offenheit verschafft für Kreativität und Flexibilität. Diese Offenheit bezieht auch den Endverbraucher ein. Das Team um Jochen Hein (Hymer) und Alexander Kornelsen (Venture Idea) hat im Vorfeld erfahrene Camper befragt und lässt den Prozess weiterhin offen, um weitere Optimierungen zu kreieren.
Eierlegende Wollmilchsau?
Auch wenn einige Details wie Fliegengitter in den Schiebetüren, Solaranlage oder ähnliches noch fehlen und die Kältekammer-Tests zur Winterfestigkeit in der Kältekammer noch ausstehen: das Hymer DUO Car wird seinen Weg machen. Das Raumwunder begeistert durch Weite und Eleganz mit ausreichend Platz für alle mobilen Lebenslagen in Freizeit und Beruf. Das DuoCar ist für mich nichts weniger als eine Sensation. Während der anregenden Unterhaltung mit den Mitarbeitern kommen einige Gedanken zur weiteren Optimierung auf, die im Prinzip die DUO-Vorgabe als Zwei-Personen-Freizeitfahrzeug wieder auflösen:
- Drehbarer Beifahrer-Doppelsitz: ein dritter Passagier findet sicheren Platz auf der Fahrt. In Ergänzung mit einem Hilfsbett in der Fahrerkabine kann man mit dem DUO Car also auch als kleine Familie auf Reisen gehen.
- Dichte Badtüre: die Badtüre ist aktuell eher noch eine Art Raumteiler. Mit einer dichteren Version könnte man mögliche Geruchsbelästigungen minimieren.
- Stehtisch am Flatscreen: Der Grundriss eignet sich durchaus für die Einrichtung eines mobilen Büros. Ein Stehtisch, den man aus der Küchenzeile ziehen kann, würde die Integration des Flatscreens als Bildschirm für ergonomisches Arbeiten am Rechner oder für kleine Präsentationen ermöglichen.
- Drehbarer Kasten für Tisch mit integrierter Ladestation: dadurch könnte man einen weiteren Durchgang ins Freie schaffen. Einige geeignete Stecker ermöglichten das Laden und Verstauen der üblichen Geräte (Smartphones, Film-/Fotoapparate, E-Bike-Akku)
- Umlaufendes Zelt: Zwei begehbare Schiebetüren und die Flügeltüren in der Flurachse könnten bei Befestigung der Flügeltüren an den Außenwänden den Zugang schaffen zu einem den ganzen Wagen umlaufendes Vorzelt, das den Wohnraum auf Campingplätzen vervierfachen würde.
- Arretierungen: Befestigungsmöglichkeiten im Boden oder an der Küchenzeile erlauben den Transport von Fahrrädern im Innenraum.
Update: Auf dem Caravan Salon 2017 in Düsseldorf präsentierte die Hymer Gruppe mit dem DuoCar die Studie. 2019 hat Hymer das DuoCar als Serienvan auf Sprinter-Basis – auch als Allradler – vermarktet. Das auf Paare zugeschnittene Konzept ging anscheinend nicht auf, denn das Hymer DuoCar ist aktuell nicht im Programm (Stand August 2023). Laut Aussage einer Hymer-Sprecherin sind auch keine weiteren Planungen im Gange. Gelegentlich gibt es aus dieser ersten Produktionsphase DuoCars auf dem Gebrauchtmarkt. Wer solch einen Grundriss als Neufahrzeug haben möchte, kann sich die österreichische Manufaktur Remoma, die das Konzept im Joy Rider auf Ducato-Basis wufgreift.
Fazit: Der flexible Grundriss im DuoCar verbindet wohnliche Eleganz mit offenem Raum und optimierter Funktionaliltät für Paare. Zugleich liefert es ein repräsentatives Interieur, so dass das DuoCar auch ein vollständiges rollendes Büro für Business-Anwendungen darstellen kann. Mit 6 Metern Länge ist auch die Alltagstauglichkeit als beweglicher Urban Camper gewährleistet. Das klingt also fast nach eierlegender Wollmilchsau, aber: Wollmilch ja – Sau nein. Aber auch bärenstark!