Auf das Publikum wartete ein „Lauchangriff“, wie Micha Marx‘ Programm mit Frontalunterricht für Lachmuskulaturen heißt. In gewohnt kritischer Distanz suchte ich einen Platz in den hinteren Reihen, um möglichen Mitmach-Effekten im Zeitalter neumodischer Formatentwicklung zu entgehen.
Alles Bio: Öko-Comedy ’s coming home
Tatsächlich erwischte es beim Bio-Pils einen Anderen zum Live-Zeichnen eines gewinnenden Publikums-Porträts. So gehörte ich zu denen, die sich über Micha Marx‘ Kritzeltalent an angedichteten (und angezeichneten) Geschlechtsteilen Dritter freuen konnte.
Friedrichshafen war nicht schlecht gewählt. Schließlich hat man als im Rheinland lebender Schwabe unter Schwaben eine hohe Identifikation und der zu Tode gereinigte Bodensee passt gut ins Bio-Verlangen unserer Zeit.
Es ist ja nicht so leicht, einen durchschnittlich besuchten Abend als Alleinunterhalter zu bespaßen. Dennoch gelang es Micha Marx, durch die Entfaltung von früheren und heutigen Alltagsgeschichten Banales zu komplexer Komik zu verweben. Die Offenlegung seiner Synapsen sorgte immer wieder für Überraschungen, die das Publikum mit vielen Lachern annahm.
Micha Marx zwischen Philosophie und Pragmatismus
Die Chiffre „Marx“ assoziiert bekanntlich ein kapitales Schwergewicht des deutschen Geisteslebens. Micha Marx bemüht sich nicht, nicht in dessen Nähe gerückt zu werden, schließlich zielt sein Künstlername auf (s)eine „links-grün versiffte“ Herkunft – und damit auf den Quell seiner Themen.
Und wo findet man die, wenn nicht in einer schweren Kindheit mit Walldorfschulen-Hintergrund im konstruiert-kritischen Lehrer-Familienhaushalt in der Nähe von Stuttgart? Ausgestattet mit kritischem Apparat und reichlich Talent gelingt es ihm, bühnenfremdes Zeichnen und zeichnenfremde Comedy unter eine Mütze zu bringen.
So erfahren wir vom ökologisch-didaktisch Geschulten viel über die schwäbische Ernährungspyramide aus Spätzle und Soß‘, den Zusammenhang von Salat und Spaß, aber auch – oh, Wunder – etwas über Sex im Schwäbischen, der ja gemeinhin als der Widerspruch in sich gilt.
Weil Schwaben ja immer etwas erfinden müssen, entweder Text oder Nützliches, dürfen im ökodramatischen Kurplan Sextoys nicht fehlen. Die Holz-Dildos aus dem Hodenwald entlarven ihn als Regionalpatrioten der kurzen Wege und wir dürfen gespannt erwarten, ob es im nächsten Programm Evolutionäres aus dem Hotzenwald gibt.
Dennoch verliert er gerade beim Thema Holz die Globalisierung nicht aus den Augen, indem er seine mal mehr, mal weniger nützlichen Produktentwürfe für Ikea vorstellt.
Der Prophet im Land, wo Länd und Ländle herrschen
Wie auch immer: Bei Micha Marx dürfen wir mit nachhaltigen Pointen und Wortspielen rechnen, die keine Comedy für die große Masse darstellen, aber auch keine elitären Allüren anbieten. Vielmehr lebt alles von der Selbstironie eines Mannes mit einer wirklichen-wirklich schweren Kindheit.
Dennoch sucht er Auswege aus der Misere zwischen Mikro- und Makroplastik und rettet sich ganz pragmatisch in den Kapitalismus, schließlich ist das Taxi vom See ins Rheinland teuer.
Micha Marx‘ Würdigungen und Preise deuten darauf hin, dass der schwäbische Prophet in der Fremde doch „a bissle meh“ gilt. Dass dies jedoch nicht zwingend der Fall ist, bewies die Zugabe. Micha Marx widmete sie ausgewählten Kritiken zu seinen Auftritten.
Nun, sagen wir so: Micha Marx‘ Umgang ist sehr professionell, denn die Kolleg:innen tragen in Talent und Deutung nicht immer zum guten Ruf der journalistischen Zunft bei, liefern sie doch ungewollt Oden des Scheiterns. Für den Comedian bedeutet das: weniger Arbeit. Schließlich muss manches einfach nur zitiert werden, um das Publikum zu amüsieren.
Wo tritt Micha Marx auf?
Wer sich also wie Micha Marx „Vom Leben gezeichnet“ fühlt, kann sich und ihn an einem zukünftigen Kritzel-Comedy-Abend bemitleiden. Bei seiner Agentur erfahrt Ihr die nächsten Auftrittsdaten. Seine Website gibt auch einige Auskünfte und wer es zitierfähig braucht, kann ja den Wikipedia-Artikel über ihn lesen.