Pater Gregor Sorger OSB gehört zu den 38 Frauen und Männer, für die seit dem 28. Dezember 2009 in der Abtei Waegwan in Südkorea unter dem Titel „Bonifatius Sauer, Benedikt Kim und Gefährten“ die Seligsprechungsverfahrenen eingeleitet wurden. Die umgangssprachlich „Märtyrer von Tokwon“ Genannten sterben zwischen 1949 und 1952 während der beginnenden Spaltung der Welt in West und Ost und im Koreakrieg, währenddessen sie in Gefangenschaft, Zwangsarbeit, Folter, Kälte, Hunger und Durst geraten. Ihr Schicksal führt sie durch ihren Glauben in die Kreuzesnachfolge und sie gelten seither als christliche Märtyrer. Dieser Artikel zeichnet das Leben des Beuroner Benediktinermönchs Pater Gregor Sorger nach.
Als Pater Gregor noch Ludwig Sorger hieß: Familie und Herkunft
Die Familie Sorger stammt aus Riedlingen. Im Hochmittelalter kam die Stadt in habsburgischen Besitz. In der frühen Neuzeit gerät Riedlingen in die Auseinandersetzungen mit der Reformation und dem Truchsess von Waldburg, an deren Ende die Rückkehr zu Vorderösterreich steht. Bereits zur Zeit der Waldburg-Zeiler Herrschaft wurde die Familie Sorger vom Breslauer Kanzler des Domstifts und päpstlichen Protonotar Bartholomeus von Jerin, der ebenfalls aus Riedlingen stammt, in den Adelsstand erhoben. Das Familienwappen ist im erhaltenen Wappenbrief abgebildet.
Der Seifenfabrikant Xaver Sorger hat zwei Söhne. Der ältere, Xaver jun., bleibt in der kleinen Donaustadt und wird dort Stadtbaumeister. Der jüngere, Leopold, wird Mediziner. Leopold Sorger heiratet die aus Ulm stammende Tochter des Gefängnisinspektors Johann Friedrich Haller. Die Trauung mit Maria Paulina Regina findet am 8. August 1905 in der Beuroner Abteikirche statt. Leopold Sorgers Tätigkeit als Amtsarzt sorgt für häufige Wechsel von Arbeitsstelle und Wohnort.
Kindheit mit vielen Stationen
Leopold und Paulina Sorger leben zunächst in Spaichingen. Der zukünftige Pater Gregor wird ihr ältester Sohn: „Im Jahr eintausend neunhundert u. sechs am 19. Nov. [19. XI. 1906] ist in Spaichingen geboren u. am 26. Nov. 1906 nach röm.-kath. Ritus getauft worden Ludwig Paul Friedrich“, heißt es im Taufschein des katholischen Stadtpfarramtes. Die junge Familie bleibt jedoch nur kurze Zeit in Spaichingen.
Die Familie zieht nach Ehingen an der Donau um. Im Laufe der Jahre bekommt Ludwig zwei Brüder, Karl (*1910) und Friedrich (*1927). In Ehingen besucht Ludwig die Volksschule und das Gymnasium. Ein neuerlicher Umzug führt die Familie nach Neu-Ulm. Ludwig geht in das Gymnasium in Ulm. An Himmelfahrt 1920, dem 13. Mai, empfängt Ludwig das Sakrament der Firmung durch den Bischof von Augsburg, Maximilian von Lingg.
Ein weiterer Umzug führt die Familie 1921 nach Oberndorf. Ludwig pendelt mit dem Zug nach Rottweil, wo er 1925 die Hochschulreife erlangt. Er war nicht unter den besten Schülern. Das Zeugnis vom 13. März ist zwar voll des Lobes hinsichtlich Verhalten, Fleiß und Interesse, doch in den Noten spiegelt sich dies nur teilweise. Sein bestes Fach ist Religion und so überrascht der Vermerk nicht, dass er beabsichtigt, sich dem Studium der katholischen Theologie zu widmen.
Ein Umweg über Tübingen
Bereits im Mai 1925 nimmt er sein Studium auf. Allerdings nicht in Theologie, sondern in Rechtswissenschaft. Er wird Mitglied der Studentenverbindung Palatia. Diese Entscheidungen haben nicht allzu lange Bestand. Zwei Jahre später erfährt sein Leben eine Wende. Ludwigs Mutter Paulina, der er sehr verbunden ist, stirbt unerwartet. Getroffen von diesem Ereignis gerät er in eine Krise und entschließt sich, das Jura-Studium abzubrechen, die Verbindung wieder zu verlassen und ein Aufnahmegesuch im Kloster Beuron zu stellen.
In den üblichen Befragungen seitens der Oberen zu den Gründen der angestrebten Aufnahme bekennt er offen: „der Tod der Mutter hat mitgewirkt.“ Von nicht minderer Bedeutung sind die Aussagen gegenüber dem damaligen Novizenmeister Pater Adalbert von Neipperg. Der notiert: „tritt ganz freiwillig hier ein; Motiv: Liebe zum geistlichen und Ordensstand, nicht negativ, weltflüchtig, eingestellt“. Ludwig wird aufgenommen.
Mönch in Beuron unter Erzabt Raphael Walzer
Ludwig Sorger beginnt am 16. Dezember 1927 sein Postulat in der Erzabtei St. Martin in Beuron. Am 3. Juni 1928 folgt die Aufnahme ins Noviziat. Bei seiner Einkleidung erhält er den Ordensnamen Gregor. Das Kloster erlebt in den 1920er Jahren seine zweite Blütezeit als Benediktinerabtei. Der junge Erzabt Raphael Walzer bekleidet sein Amt dynamisch und expansiv. In Spitzenzeiten zählt die Kommunität 300 Mönche. Abtei und Klosterbetriebe werden erweitert, für die theologische Hochschule und die Bibliothek wird ein Neubau errichtet und zahlreiche neue Klostergemeinschaften werden gegründet.
Die Oberen fördern seine Eignung für den Priesterstand und lassen den jungen Mönch seine Studien fortsetzen. Er durchläuft die übliche Klerikerausbildung. Er studiert zunächst Hebräisch, Kirchengeschichte und Philosophie in Maria Laach. Anschließend folgt das Theologie-Studium in Beuron. Gregor zeigt überdurchschnittlich gute Leistungen. Er meldet sein Interesse an einer Mitwirkung im Priorat Tonogaoka (Japan) an, das zu dieser Zeit von Beuron aus geplant wird.
Gelübde und Weihen
Jeweils am 29. Juni, dem Fest der Apostelfürsten Peter und Paul, legt Bruder Gregor 1929 zunächst die zeitlichen und drei Jahre später die ewigen Gelübde ab. Wie alle Benediktiner gelobt er stabilitas (Beständigkeit), oboedientia (Gehorsam) und conversatio morum (klösterlicher Lebenswandel in Ehelosigkeit und Gütergemeinschaft). 1932 wird er zum Subdiakon und 1933 zum Diakon geweiht. Pater Gregor Sorger empfängt am 5. August 1934 die Priesterweihe aus den Händen des Freiburger Erzbischofs Conrad Gröber. Tags darauf feiert er seine Primiz, am 15. August seine Nachprimiz in Riedlingen.
Obwohl die Mission im engeren Sinne nicht Teil des Beuroner Apostolates ist, greift Erzabt Raphael Walzer 1927 den Appell von Papst Pius XI. auf, die Verbreitung des Christentums in Japan durch die Einpflanzung benediktinischen Mönchtums zu fördern. Nach ersten Versuchen gründet Erzabt Raphael in der Nähe der Hauptstadt Tokio das Priorat St. Benedikt. Im Sommer 1935 wird bei Chigasaki mit dem Bau von Tonogaoka Shudoin, Beurons Haus des Herrn, begonnen. Pater Gregor Sorger soll nachkommen. Nach der Beendigung seines Studiums 1935 versieht er zunächst neben den seelsorglichen Aufgaben den Dienst des Organisten und des Prokurators in der Klosterverwaltung.
Für die Benediktinische Monatsschrift verfasst er einen Bericht über das neue Kloster in Japan. Von einem Gaststudenten erhält er Japanisch-Unterricht. Zugleich ist Pater Gregor Sorger Sekretär des Beuroner Priors Hermann Keller. Er befindet sich dabei in einer Phase der Verunsicherung. Es bleibt jedoch bei der Entscheidung, P. Gregor nach Tonogaoka zu schicken. Am 18. April 1937 zelebriert er selbst das Abschiedsamt. Tags darauf verlässt er Beuron gemeinsam mit Bruder Landelin Ibig. Die Reise der beiden Missionare führt zunächst nach Rom, wo sie den päpstlichen Segen von Pius XI. erhalten. Danach schiffen sich die beiden Mönche in Genua am 1. Mai nach Japan ein.
Pater Gregor Sorger im Priorat Tonogaoka in Japan
Mit der Ankunft von Pater Gregor Sorger und Bruder Landelin Ibig am 23. Juni 1937 zählt die Gemeinschaft von Tonogaoka 13 Mönche. Sie sollen als erste Benediktiner in Japan das kontemplative Klosterleben Beuroner Prägung begründen. Dieses stille Apostolat vollzieht sich durch die treue Pflege des Beuroner Chorgebets und zunächst durch die Errichtung des Klostergebäudes. Gezielte Mission und Gemeindeseelsorge sind nicht geplant. Vielmehr soll neben seelsorglichen Aufgaben eine Landwirtschaft mit Ackerbau und Viehzucht aufgebaut sowie der Wissenschaft und der Kunst ein hervorragender Platz eingeräumt werden.
Pater Gregor Sorger übernimmt zahlreiche Ämter. In der Liturgie versieht er den Organistendienst. Er ordnet die Dokumente für die Chroniken, die ab 1936 heraus gegeben werden. Als Annalist betreut er auch das Archiv. In der Verwaltung kümmert er sich als Thesaurar um die Buchhaltung und die Sakramentalien, als Depositar um die Dinge des alltäglichen Gebrauchs. Auch das Amt des Hausmeisters begleitet er.
Die Mönche werden gedrängt, ein Apostolat liturgischer Schriften aufzunehmen. Pater Gregor Sorger verrichtet hierfür Schreibarbeiten. So entstehen zum Beispiel ein Führer durch das Kirchenjahr, ein liturgisches Jahrbuch, eine Übertragung des Psalters ins Japanische, lexikalische Artikel und eine Zeitschrift.
„Nächst Gott alles für Beuron“
Währenddessen wird in Beuron Benedikt Baur zum neuen Erzabt ernannt. Da Tonogaoka kein selbstständiges Priorat darstellt, ist der neue Erzabt auch der Obere der Gründung in Japan. Dieses unfreiwillige Erbe wird zur geistlichen und materiellen Herausforderung nach seinem Amtsantritt.
Zugleich muss Erzabt Benedikt Baur das Kloster in Beuron durch Nazidiktatur und Zweiten Weltkrieg führen. Zwischen dem Erzabt und den Mönchen in Tonogaoka entwickelt sich ein intensiver Briefwechsel. Trotz einiger Spenden, Stiftungen und der eigenen Mühen gelingt es nicht, das klösterliche Leben in Tonogaoka auf eine materiell tragfähige Basis zu stellen. Die Devisengesetze der Nationalsozialisten verhindern die Überweisung von Geldern aus Deutschland.
Die Gemeinschaft zerrüttet zusehends. Die meisten Mönche sind noch nicht genügend gefestigt im klösterlichen Leben. Die fremde Umgebung und das schwierige Erlernen der japanischen Sprache führen zu weiteren Hindernissen. Interne Streitigkeiten und Vorwürfe nehmen zu. Im Frühjahr 1938 trifft Pater Suso Mayer zur Analyse der Situation in Tonogaoka ein.
Die Zerwürfnisse in der Kommunität und das Leben in der Fremde belasten Pater Gregor Sorger. Da er sich keiner Fraktionsbildung anschließt, leidet er an der damit verbundenen Vereinsamung und wird phasenweise mutlos. In Verbundenheit zu seinem Heimatkloster beschreibt er die ursprüngliche Motivation, in einer kleinen Gemeinschaft die Ideale Beuroner Mönchtums dem japanischen Volk nahe zu bringen, als „die wohl größte Täuschung, der ich mich bisher in meinem Leben hingab.“ Er weiß um die Notwendigkeiten der Aufbauarbeit, drückt aber gegenüber Erzabt Benedikt Baur seine Hoffnung aus, nach Beuron zurückkehren zu können.
Tonogaoka wird aufgegeben
Das Kloster Tonogaoka gerät in Not. Ein Pater setzt sich eigenmächtig ab. Auch die finanziellen Schwierigkeiten reißen nicht ab. Der Unterhalt des Klosters durch Beuron wird immer schwieriger. Dennoch wird versucht, eine Auflösung zu vermeiden. Insbesondere der Wunsch, das Kloster in benediktinischer Hand zu halten, leitet die Überlegungen. Die Benediktiner in Korea bieten sich für eine Übernahme an. So kommt es aufgrund der politischen Lage 1940 zur kostenlosen Übergabe des Priorats an die Missionsabtei Tokwon im Norden Koreas. Zwei Brüder verbleiben einstweilen vor Ort, um das Haus, die Tiere und die Grundstücke zu versorgen.
Die benediktinische Koreamission in Tokwon und Wonsan
Durch die Initiative des Beuroner Mönchs P. Andreas Amrhein entwickelt sich das Charisma der Missionsbenediktiner. Sie streben eine Erneuerung der Mission aus dem benediktinischen Geist der frühmittelalterlichen Wandermönche (zum Beispiel Bonifatius, Kolumban, Gallus, Willibrord u.a.) an. Nach einer Anfrage des Missionsbischofs Gustave Mutel in der Erzabtei St. Ottilien werden 1909 die Patres Bonifatius Sauer und Dominikus Enshoff entsandt. Sie beginnen in Seoul, ein Kloster St. Benedikt zu errichten, das bald zum Priorat wird und somit Novizen aufnehmen kann. Bereits 1913 erfolgt die Erhebung zur Abtei, Bonifatius Sauer wird ihr erster Abt.
Wenig Romantik im Land der Morgenstille
Korea ist Zeit seines Lebens ein Land, das aufgrund seiner geostrategisch interessanten Lage Begehrlichkeiten bei den Nachbarn weckt. Immer wieder greifen externe Protektoren aus das Land zu. Nach dem Untergang der Joseon-Dynastie am Ende des 19. Jahrhunderts kommt es nach nur 13 Jahren zur erneuten Fremdherrschaft. Diesmal ist es das Kaiserreich Japan, das im Jahre 1910 Korea zu einer Kolonie macht und sämtliche Schaltstellen der Macht mit Japanern besetzt.
Aufstände nach Autonomie strebender Gruppen werden blutig niedergeschlagen. Widerständler werden verstümmelt, bayonniert oder geköpft, christliche Unterstützer gekreuzigt. Die Mittel der Japanisierungspolitik bestehen u.a. aus dem Verbot der koreanischen Schrift und Sprache, der Besetzung der administrativen Behörden mit Japanern, der Rekrutierung von Koreanern zur Zwangsarbeit in Japan und die Prostituierung zahlloser koreanischer Frauen.
Evangelium und Ausbildung in der Nordmission
Der Auftrag, den Koreaner das Evangelium, Bildung und Arbeit zu bringen, ist immer auch eine Gratwanderung. Einerseits bleiben die Benediktiner im Schutz der japanischen Modernisierungsbestrebungen und der japanisch-deutschen Paktpolitik handlungsfähig, andererseits will man von politischen Einflüssen möglichst frei bleiben.
1927 kommt es zum Umzug der Abtei von Seoul nach Tokwon. Damit verbunden ist die Errichtung des apostolischen Vikariats Wonsan. Mit der Erhebung zur Abbatia Nullius (Kloster mit Bischofssitz) wird Bonifatius Sauer an die Leitungsspitze der Diözese im nördlichen Korea. Auch hier stehen die Benediktiner unter Schulverbot. Neben den hauseigenen Betrieben können aber ein Priesterseminar und eine Handwerkerschule unterhalten werden. Die Felder des Landstriches am Kloster versorgen die Mönche.
Die Missionsbenediktinerinnen im Dienst der Armen
Die Tutzinger Missionsbenediktinerinnen kommen ebenfalls in den Fernen Osten. Als die ersten Schwestern 1925 Korea erreichen, werden sie nicht nur von einer benediktinischen Abordnung begrüßt, sondern auch von vier Koreanerinnen, die bei ihnen eintreten wollen. Bis das Kloster in Wonsan fertig gebaut ist, leben die Schwestern im Provisorium St. Theresa. Ihren Kernauftrag der Heidenmission erfüllen sie durch Besuche der umliegenden Dörfer. Sie errichten eine Armenapotheke und in 25 Jahren fünf Filialklöster mit einheimischen Schwestern.
Missionsstationen
Außerhalb der Klöster werden von den Mönchen und Schwestern Missionsstationen zum Aufbau der Gemeinden errichtet. Patres aus dem Tokwon und Schwestern aus Wonsan verbreiten den Christusglauben unter der Bevölkerung in teilweise nahezu unerschlossenen Landstrichen. Die Katechesen und Predigten erweisen sich als fruchtbar. Viele Koreaner können sich dem Christentum öffnen und schließen sich der Kirche an.
Pater Gregor Sorger in der Abtei Tokwon
Mit der Aufhebung des Priorats Tonogaoka in Japan wird der Verbleib der Beuroner Mönche geregelt. Die meisten reisen zunächst nach Tokwon. P. Gregor und Erzabt Benedikt präferieren eine Rückkehr nach Beuron, was aufgrund des Zweiten Weltkrieges jedoch nicht möglich ist. Auch sein zweiter Wunsch, in die USA zu gehen, erfüllt sich nicht. Stattdessen soll er vier Mitbrüder begleiten, die einer Anfrage nach Brasilien folgen.
Kurz vor der Abreise – das Schiffsticket war bereits gekauft – begleitet er Abtbischof Bonifatius Sauer nach Tokwon. Der Rektor des Seminars, Pater Anselm Romer, bittet ihn, in Tokwon als Lehrer tätig zu werden. So bleibt Pater Gregor Sorger im Norden Koreas. Er fühlt sich wohl, denn hier herrscht wirklich ein recht guter, frommer, religiös-monastischer Geist in der Kommunität und vor allem ein sehr nettes und gutes gegenseitiges Verhältnis der Einzelnen zueinander.“
Erfüllte Jahre für Pater Gregor Sorger
Neben den Aufgaben im Haus nimmt er seine Tätigkeit als Lehrer für Englisch und Musik auf. Abtbischof Bonifatius Sauer schätzt seine Dienstbereitschaft und seine juristischen Kenntnisse sehr und ernennt ihn zu seinem persönlichen Sekretär. Auch in Tokwon versieht er mit zwei weiteren Mitbrüdern den Organistendienst. Häufig begleitet er Abtbischof Bonifatius Sauer als Assistent auf Firmreisen in die Städte und Missionsstationen oder er hilft an Sonntagen in Wonsan aus, um bei den Schwestern an der Orgel zu spielen.
Die weltpolitische Lage verhindert Unterstützung aus der Heimat. In Deutschland werden die Benediktiner behindert, eingezogen oder aus ih- ren Klöstern vertrieben. Das Leben in Tokwon dagegen ist friedvoll. Die Mönche von Tokwon wollen das ehemalige Beuroner Priorat Tonogaoka als Studien- und Erholungshaus nutzen. Doch die fehlende Akzeptanz im Konvent sowie der finanzielle Druck durch den Krieg erzeugen eine Paradoxie der Ereignisse: das Scheitern der Beuroner in Japan und der Erlös aus dem Verkauf des Klosters werden zum Überlebensquell für dieAbtei Tokwon.
Aus den Briefen an Erzabt Benedikt Baur
Trotz seiner hohen theologischen Bildung ist der Glaube P. Gregors durch eine kindliche Frömmigkeit geprägt. Ein Schwergewicht liegt auf der Liturgie und den Diensten als Organist und Kantor. „Bei der Passion hatte ich die Rolle des „Christus“ zu singen“, schreibt er mehrfach nach Hause.
Das Leben in Tokwon löst in Pater Gregor Sorger nach den Erfahrungen in Japan ein Wohlgefühl aus. Seine Hoffnung hinsichtlich des missionarischen Wirkens drückt er optimistisch aus: „Ich glaube überhaupt, dass die heute hier lebenden jüngeren Patres und Brüder es noch erleben, dass Korea ganz christlich und katholisch ist.“
Die frühen 1940er Jahre in Tokwon zeichnen sich durch Frieden aus. In seinem letzten erhaltenen Brief kommentiert er 1941 den Krieg an den europäischen Fronten:
„Vor kurzem durften wir in Wonsan den Film „Sieg im Westen“ sehen; wir vermochten uns so ein Bild zu machen von der modernen Kriegsführung. Nun wird Russland wohl auch bald in ähnlicher Weise besiegt sein. Was die Zukunft hier im Osten bringt, ist sehr ungewiss, aber wir müssen auf Gott vertrauen. Ganz ohne Sorgen können wir ja auch nicht sein. Und wenn ein großes Opfer von uns gefordert würde, so müssten wir es eben auch bringen, wie soviele drüben in der Heimat.“
Aus einem Brief von Pater Gregor Sorger an Erzabt Benedikt Baur
Geregelte Kontakte in die Heimat brechen in den Kriegsjahren ab.
Ende der Kolonialzeit in Korea: endlich ein befreites Volk?
Die Atombombenabwürfe auf Japan im August 1945 führen zur Kapitulation des Kaiserreichs und zum Ende der Kolonialherrschaft. Aufgrund der Vereinbarungen der Alliierten werden die Japaner nördlich des 38. Breitengrades von den Sowjets und südlich von den Amerikanern entwaffnet. Die Landreform der Sowjets führt zur Enteignung der japanischen Großgrundbesitzer. Die Mission verliert große Teile ihres Landbesitzes.
Die Abtei Tokwon wird durchsucht. Ab jetzt wird es dort laut und gehetzt. Doch nach anfänglichen Plündereien kommt es zur gewaltfreien Koexistenz. Die Rotarmisten halten Wort in Sachen propagierter Religionsfreiheit, überschütten die Abtei mit Aufträgen und beziehen von ihr Lebensmittel. Offiziere nutzen die Abtei als Ausflugsziel. Pater Gregor Sorger spielt in dieser Zeit häufig auf der Orgel für einen Marineoffizier und seine Familie.
Die Lage spitzt sich zu
Die geostrategischen Interessen der Sowjets und der Amerikaner führen zu neuen Konflikten. Die Verhandlungen zwischen den beteiligten Super- mächten verlaufen ergebnislos. Im Zuge wechselseitiger Völkerrechtsver- letzungen gründen die Kommunisten nach Wahlen mit Einheitslisten Ende 1948 im Norden die Demokratische Volksrepublik Korea. Kurz danach kommt es im Süden nach einem Wahlboykott der Linken die Gründung der Republik Korea. Die Teilung des Landes in Süd- und Nordkorea nimmt ihren Anfang.
Mit der Gründung des Staates Nordkorea sehen die Sowjets den Auftrag, Korea zu befreien als erfüllt an und ziehen ihre Truppen und Verwaltungskräfte vertragsgerecht aus Nordkorea ab. Die Übernahme der Regierungsgeschäfte durch die Nordkoreaner erweist sich als verheerend für die Mission. Die stete Unterdrückung und die ideologische Verblendung führen bei den Einheimischen zu einer aggressiven Mischung aus Fremdenfeindlichkeit und Hass gegen den Glauben.
Passion und Martyrium der Gefährten
Die von den Kommunisten angestrebte Kollektivierung und Verstaatlichung aller geistigen und materiellen Güter entzündet eine Auseinandersetzung zwischen Missionaren und Behörden um die Religionsfreiheit. Diese ist zwar in der Verfassung verankert, aber sie wird durch die Staatsgewalt unterdrückt, da sie in der Mission eine Einschränkung der Staatsinteressen wahrnehmen. Proteste fruchten nichts, die Gottesdienstzeiten aller christlichen Konfessionen werden stark eingeschränkt.
Bereits während der Besatzungszeit durch die russische Armee wird ein Spitzelsystem installiert, das sowohl die kirchlichen Amtsträger als auch Laien aushorchte, die in Fabriken arbeiteten. Bekenner werden be- drängt bzw. von Arbeitsstellen und Vergünstigungen ausgeschlossen. Mit zunehmendem Druck setzt eine Auswanderungswelle der Christen nach Südkorea ein. Die meisten Zurückgebliebenen verzichten auf die Vorteile eines Parteleintrittes, bleiben standhaft und füllen sonntags die Kirchen.
Zwei Intrigen
Die russische Armee hatte vor der Machtübernahme durch die nordkoreanischen Kommunisten verhindert, dass die Benediktiner im Zuge der Enteignungsmaßnahmen ihrer Betriebe und der dazugehörigen Maschinen entledigt werden.In der Folge wurde nun versucht, eine gesetzliche Grundlage für die Zerstörung der Mission zu schaffen. Zunächst wird das Kloster genötigt, wilden Wein und Früchte aus Staatsbesitz zu keltern und zu lagern. Die dafür fälligen Steuern sollten vom staatseigenen Auftraggeber bezahlt werden, was aber unterblieb. In Folge dessen wird am 1. Dezember 1948 der Cellerar P. Dagobert Enk verhaftet und der Steuerhinterziehung sowie des illegalen Kelterns angeklagt.
Stürmung der Abtei Tokwon und Verhaftung der Missionare
Spätestens nach der Verhaftung von Br. Ludwig Fischer wird allen klar, dass die Zeit des Kloster zu Ende ist. Dennoch verzichten der übrige Konvent und die Missionare in den Stationen auf eine Flucht. In der Nacht von 9. auf 10. Mai umstellt die nordkoreanische Geheimpolizei die Abtei und verhaften Abtbischof Bonifatius Sauer, P. Prior Lucius Roth, P. Subprior Arnulf Schleicher und P. Rupert Klingseis, Professor am Priesterseminar Tokwon. Abtbischof Bonifatius Sauer übergibt kurz vor dem Abschiedssegen alle seine Befugnisse an P. Anselm Romer. Die Mönche packen ein paar wenige Habseligkeiten zusammen.
Nach zwei Tagen werden auch die im Kloster Verbliebenen verhaftet – mit Ausnahme der koreanischen Brüder. Sie werden weggeschickt und schlagen sich nach Südkorea durch. P. Gregor wird gemeinsam mit den deutschsprachigen Mönchen und Schwestern sowie den koreanischen Priestern nach Pyöngyang gebracht. Das Kloster gerät unter staatliche Kontrolle. Die Abteikirche von Tokwon wird zerstört.
Eingekerkert im Gefängnis von Pyöngyang
Die meisten Benediktiner müssen sich zu je 18 Mann eine 8m² große Zelle teilen. Die sieben Mönche, die unter besonderen Anschuldigungen stehen, werden isoliert. Tagsüber ist nur Sitzen erlaubt. Nachts muss auf der Seite gelegen werden, damit alle ausreichend Platz finden. Bei Abweichungen folgen laute Beschimpfungen. Für die Notdurft dient ein Loch im Boden, das mit einem Holzdeckel zugedeckt wird. Ein kleines, vergittertes Fenster in der hohen Decke sorgt für wenig Licht und Frischluft.
Die Mahlzeiten bestehen aus geringen Mengen Wassersuppe mit etwas Kohl oder Kartoffelschalen sowie dem Pap, einer gedämpften, ungewürzten Mischung aus Hirse und Sojabohnen in geringen Mengen. Die hygienischen Verhältnisse, Ungeziefer und die Mangelkost gepaart mit Hitze und Durst führen bei P. Gregor schnell zu chronischer Darmerkrankung. Auch andere Krankheiten machen sich breit. Medikamente erhalten die Ordensleute nicht. In den ersten sechs Wochen dürfen Sie nur einmal kurz ihre Zelle verlassen.
Leben aus der Kraft des Gebetes
Um nicht entdeckt zu werden, beten sie meist still für sich: Herzensgebet, Litaneien, Kreuzweg und Rosenkranz werden zur Existenzquelle. Zu den Tagzeiten wird das Brevier gebetet, soweit das auswendig geht. In der Nähe des Gefängnisses befindet sich zunächst eine noch nicht unterdrückte Missionsstation, so dass die Inhaftierten sonntags die Glocken hören und mit Hilfe ihres Schotts in eingeschränkter Form am Messopfer teilnehmen können.
Verurteilung
Wegen schlechter Ideen“ erhebt die nordkoreanische Regierung Anklage gegen die Mönche, Schwestern und koreanischen Weltpriester. Der Teil der Gemeinschaft, der in Beziehung zu den antikommunistischen Flug- blättern steht, wird zu Gefängnisstrafen verurteilt, alle übrigen zu mehr- jährigem Arbeitsdienst in einem Lager bei Tschontschon nordöstlich von Pyöngyang. Es gibt keine Anhörung oder Verteidigung in diesem Prozess. Die Verurteilten müssen ihre Ordenskleider ablegen – lediglich die Schwe- stern dürfen ihre Tunika behalten.
Briefe aus der Gefangenschaft
Während der Haft gelingt es mit Hilfe des Gefängnisarztes Briefe – meist von P. Prior Lucius Roth aus dem Gefängnis zu schmuggeln. Dieser Arzt, der selbst Christ ist, versorgt auch Abtbischof Bonifatius Sauer ohne Genehmigung mit Medikamenten. P. Lucius schreibt zum Beispiel: „wattierte Decke (5 Mann) als Unterlage. An Kleidern haben wir kaum das Notwendigste. Jeder erhiehlt kurz vor Weihnachten eine wattierte Joppe, sonst nichts. Zelle ungeheizt.“ oder: „Wir leben im Dreck, Läuse, Wanzen […] Doch guten Mutes. Wir leiden für Glauben […]“
Oksadok – Berg des Leidens und der Verklärung
Einige Brüder werden vorausgeschickt, um aus den verfallenen Bauernhäuschen, die auf dem Areal stehen, die Unterkünfte für die Verurteilten und die beaufsichtigenden Polizeibeamten zu bauen. Sie errichten verschiedene Wohnhäuser, eine Kapelle, eine Küche und sonstige notwendige Gebäude. Die Schwestern und Mönche sollen dort „frei“ leben. Am 6. August, dem Fest Verklärung des Herrn 1949, werden die Mönche und Schwestern wieder zusammengeführt und in das Lager verbracht. Sie nennen es nach dem früheren Bergbauernort Oksadok „Perlsandhügel“.
Sie erhalten einfache Hacken und sonstiges veraltetes Ackergerät, um die Felder in den Steilhügeln zu bewirtschaften. Dennoch sind sie trotz des unvermeidlichen Ausgeliefertseins nicht ungerne dort, da es im Lager besser ist als im Gefängnis. P. Gregor ist handwerklich nicht begabt. Dadurch zieht er sich die sowieso zum Alltag gehörenden Beschimpfungen in besonderem Maße zu. Wegen seiner Größe leidet er starken Hunger bei gleichzeitiger Überanstrengung. Die Bedingungen bestehen aus bis zu 14 Stunden dauernder, schwerer Zwangsarbeit, Mangelernährung, keine Medikamente.
Geistliches Leben im unsichtbaren Doppelkloster
Auch ohne Klosterarchitektur und Ordenstracht führen die Schwestern und Mönche ihr geistliches Leben fort. Als Subprior von Tokwon wird P. Arnulf Schleicher der kirchliche und monastische Obere der Gruppe. Er gibt ihr ein liturgisches Gefüge. Eine besondere Bedeutung fällt hierbei der fast täglichen Heiligen Messe zu. Die Gefangenen können die Eucharistie sogar in beiderlei Gestalt empfangen. Wie ist das möglich? Die Aufseher übergeben den Benediktinern Säcke mit Mais als Saatgut für ihre Feldarbeit. In diesen Säcken befinden sich Reste von Weizen.
Jedes einzelne Korn lesen die Ordensleute nun aus und verwenden es teilweise zum Backen fingerkuppenkleiner Hostien. Den Rest sähen sie für die zukünftige Verwendung im Mais versteckt aus. Zugleich wachsen in den Hängen wilde Trauben, die zu Messwein gekeltert werden. Soweit möglich wird auch im Lager das Brevier gebetet oder persönliche Andacht gehalten. Sr. Diomedes Meffert, die Lagerärztin, berichtet über Pater Gregor Sorger: „Allen Lagergenossen ist es wohl unvergeßlich, wie er auf den weiten Wegen zu den Feldern und Weideplätzen stets den Rosenkranz in der Hand trug. Er hat wohl ungezählte Rosenkränze gebetet.“
Der Koreakrieg bricht aus
Nach wechselseitigen Rechtsbrüchen kommt es am 25. Juni 1950 zum Einmarsch nordkoreanischer Truppen in den Süden der Halbinsel. Die UN unter Federführung der USA tritt Südkorea zur Seite, auf nordkoreanischer Seite ist dies China. Die Auseinandersetzung entwickelt sich zum Stellvertreterkrieg der beiden Systemblöcke aus Kapitalismus und Kommunismus. Beide Parteien erobern bis zum Waffenstillstand 1953 wechselseitig beinahe die gesamte Koreanische Halbinsel.
Letzten Endes führt er wieder zu den Ausgangspositionen zurück, zementiert aber die Teilung Koreas. Dabei wird fast die gesamte Industrie des Landes zerstört. Auch die Bevölkerung leidet unter Mangel an Nahrung und Medikamenten. Insgesamt sterben rund eine Million Menschen durch den Krieg. Auch die gefangenen Benediktiner geraten zwischen die Fronten.
Die Inhaftierten sterben oder werden ermordet
Noch vor Ausbruch des Koreakrieges, am 7. Februar 1950, stirbt der asthmakranke Abtbischof Bonifatius Sauer im Alter von 73 Jahren in seiner Arrestzelle an den Folgen der Kerkerhaft. Er wird zunächst auf dem Gefängnisfriedhof bestattet, später aber in einer lebensgefährlichen Aktion von Christen exhumiert und andernorts begraben. „Er musste viel leiden, Gefängniskost nicht entsprechend. Viel Durchfall, wie Skelett“, schreibt P. Lucius an P. Laurentius Ri, einem Pater aus Tokwon, der aufgrund einer Stimmbandlähmung nicht inhaftiert wurde. Auch P. Rupert Klingseis erliegt 60-jährig den Haftbedingungen. Am Morgen des 6. April 1950 erfriert er im Gefängnis von Pyönyang in Folge der Unterversorgung.
Im Oktober 1950 rücken die alliierten Verbände gegen die nordkoreanischen Truppen vor. Dadurch gerät auch die Hauptstadt Pyöngyang unter amerikanischen Beschuss und wird erobert. Die Kommunisten müssen sich nach Norden zurück ziehen. Da sie nicht bereit sind, Gefangene preis zu geben, werden die zehn in Haft verbliebenen koreanischen und deutschen Benediktiner Anfang Oktober 1950 erschossen, darunter der Prior P. Lucius Roth, der Cellerar P. Dagobert Enk und Br. Ludwig Fischer.
Die Gefangenen werden an den Yalu verschleppt
Die UN-Truppen dringen immer weiter nach Norden vor. Vom Arbeitslager Oksadok aus sind bald die Fliegerbomben der Amerikaner zu hören. Die Missionare hoffen auf Befreiung. Die Lagerkommandantur jedoch verschleppt die Benediktiner. Im Oktober 1950 reihen sie sich ein in einen Strom frierender und ausgehungerter Häftlinge, die aus Pyöngyang kommen. Der Weg führt nach Norden in Richtung des chinesisch-koreanischen Grenzflusses Yalu. Wer nicht laufen kann, wird erschossen. P. Odilo Ramroth, ein überlebender Mitbruder aus Beuron, berichtet über Pater Gregor Sorger:
„Auf dem Transport […] war er so schwach, daß er manchmal hingefallen ist und mit seinem nicht zu schweren Rucksack nicht mehr allein aufstehen konnte“.
Die Gefangenen von Oksadok halten gemeinsam durch. Sie werden bei eisigen Temperaturen in einem umfunktionierten Schulgebäude inhaftiert. Dort geraten sie am 9. November 1950 selbst unter Beschuss der amerikanischen Fliegerbomben. P. Odilo überliefert P. Gregors Sorgers Schicksal dieses Tages: Gegen Ende seines Lebens war in Folge der zunehmenden Schwäche seine Lebensenergie stark vermindert. Bei einem Fliegerangriff in Manpo, wo uns die Fensterscheiben einflogen und von der Decke Stücke herun- terfielen, sah ich ihn allein in einem Zimmer aufrecht knien und beten.“
Pater Gregor Sorger stirbt in Manpo
Die Gefangenen werden erneut verschleppt, nach Quanmunri bei Manpo. Nach drei Tagen ist P. Gregor Sorger ganz steif. Versehen mit Sakramenten stirbt er in den Armen von Sr. Diomedes, die seine letzten Tage überliefert:
der […] folgende Kreuzweg zu einer notdürftig errichteten Gefangenensiedlung in einem nahen Bergtal zehrte seine letzten Kräfte auf. Unser Gefängnisloch war ein eiskalter, roh gedeckter Raum über dem blanken Erdboden. Zu essen gab es damals nichts als hie und da gesottene Maiskörner, und so ist P. Gregor der Not dieser Tage erlegen, man kann sagen, buchstäblich verhungert und erfroren. Das war der 15. November 1950. […] Unsagbar arm lag er da, aber er lächelte es war so ein kindlich-reines Lächeln, das uns, seinen gehetzten Leidensgefährten, sagte: Macht euch nichts draus, das Schönste kommt ja erst!“
Sr. Diomedes Meffert
„Nach seinem Tod hatte er einen ganz himmlischen, engelhaften Gesichtsausdruck, viele von uns waren davon tief beeindruckt.“
P. Odilo Ramroth
Pater Gregor Sorger wird wie drei weitere Opfer in Manpo aus der Gefährtengruppe von koreanischen Häftlingen bestattet. Sein Tod bringt den Lebenden einen Ofen für ihr Erdloch ein.
Was kommt danach?
Die UN-Truppen werden mit Hilfe des chinesischen Heeres um den Preis hoher Verluste hinter den 38. Breitengrad zurückgedrängt. Folge für die gefangenen Missionare: sie kehren am 17. Januar 1951, nach 86 Tagen Flucht in eisiger Kälte zurück nach Oksadok.
Erneute Leiden in Oksadok
Hier beginnt eine neue Zeit erbarmungsloser Härte. Die Vorräte sind verfault, der Lagerkommandant ist von unerhörter Grausamkeit, auch unterdrückt er mit allen ihm möglichen Mitteln die Eucharistiefeier. Die landwirtschaftlichen Produkte sind ausschließlich den Bewachern vorbehalten.
Für neuerliche Erkrankungen wie Wassersucht und Wurmbefall werden Medikamente lange verweigert. Selbst hohes Fieber wird mit Beschimpfungen und Hinaustreiben auf die Felder geahndet. Verzweiflung und Nervenzusammenbrüche mehren sich. Die Lebenden beginnen, die Toten zu beneiden. Im Laufe eines Jahres sterben sechs weitere Mönche, darunter P. Anselm Romer und Suprior P. Arnulf Schleicher. Sr. Fructuosa Gerstmayer ist im September 1952 das letzte Todesopfer der Haftbedingungen.
Heimkehr der Überlebenden und Wiederaufbau in Südkorea
Kurz nach dem Tod von Sr. Fructuosa – viele glauben, es ihrer Fürsprache danken zu dürfen – kommen erste Hoffnungsschimmer auf. Im folgenden Frühjahr gibt es Hafterleichterungen, denen bald eine aufpäppelnde Vollversorgung mit entsprechenden Lebensmitteln und Medikamenten folgt. Die Benediktiner werden als Gäste des Staates behandelt. Anfang 1954 werden sie über Peking und Moskau nach Deutschland zurückgeführt.
Im Aufnahmelager Friedland bei Göttingen werden sie von Mitschwestern und -brüdern begrüßt. Neben der nach Jahren der Funkstille aufkommenden Wiedersehensfreude müssen sie ihren Heimatklöstern mitteilen, dass sie nicht die ersten Heimkehrer, sondern die letzten Überlebenden der deutschsprachigen Missionsbenediktiner aus Korea sind.
Die Überlebenden sind die wichtigsten Zeugen für das Martyrium ihrer Mitschwestern und -brüder. In Berichten und Briefen halten sie die Erlebnisse der Mission in Korea fest. Viele bleiben nach der Rückkehr jedoch nicht in Deutschland, sondern gehen nach Südkorea, wo sie zu den geflohenen koreanischen Brüdern, Schwestern und Klerikern zurückkehren. Sie sorgen für eine Fortführung der Mission und bauen neue Klöster, Gemeinschaften und Missionsstationen auf.
Hinweis, Danksagung und Transparenz
Es wird in der Allgemeinheit gerne übersehen, dass auch bei den Märtyrern von Tokwon die Seligsprechungsverfahren – wie im Kirchenrecht verankert – für jede Person einzeln durchgeführt werden. Eine Gruppe kann als solche nicht zur Ehre der Altäre erhoben werden, auch wenn ein gemeinsamer Gedenktag auf der Hand liegt.
Dieser Artikel entstand aus den Ergebnissen des Informativprozesses zu den Seligsprechungsverfahren in den Jahren zwischen 2007 und 2009. Im Auftrag von Erzabt em. Theodor Hogg OSB und in der Zusammenarbeit Vieler sind in der Erzabtei Beuron 2010 zunächst eine Ausstellung eröffnet und eine Broschüre über Pater Gregor Sorger veröffentlicht worden, deren Inhalte hier vom Autor lebendig gehalten werden.
Zuvorderst gilt Dank dem Vizepostulator Pater Willibrord Driever OSB, dessen Herzlichkeit und Bereitschaft, alle Anliegen zur Causa zu unterstützen, viele Zeitzeugnisse zugänglich machte. Dank gilt auch Pater Gregor Sorgers Bruder Frieder Sorger (*1927, † 2017) und Winfried Aßfalg vom Museum Riedlingen, die maßgebliche Quellen zur Verfügung stellten und so eine historisch-kritische Aufarbeitung ermöglichten. Alle weiteren Quellen, auf denen dieser Artikel aufgebaut ist, stammen aus den Pfarr- und Klosterarchiven in Spaichingen, Beuron, St. Ottilien und Tutzing.
Sachliche Widersprüche zu anderen Artikeln über Pater Gregor Sorger resultieren aus der fehlenden Anerkennung der Quellenlage. Hier gibt es weitere Artikel zum geistlichen Leben auf tourstory.de.