Wenn hier von Überraschungen gesprochen wird, dann meint das auch die kleinen im Alltag, die jedoch auch das Vanlife stark beeinflussen. Diese Woche gab’s gleich mehrere davon.
Vorarlberg begegnet Südamerika
Samstag, 16.11.24: Heute ist wieder einer der Tage, an dem wir privat eingeladen sind und die nichts weniger als Dankbarkeit hervorzaubern. Freunde laden in der Nähe von Bregenz zu kulturellen Abenden mit Nachwuchskünstlern und Küchenkönnern ein. Diesmal zaubert der renommierte Kochlehrer Wolfgang Ponier mit seiner Tochter Helena quasi eine Art Amuse bouche-Menü vor dem künstlerischen Hauptgang. Dafür verwendet er regionale Zutaten und zaubert weltoffene Aromen in vier handliche Portionen. Besonders die Vorspeise ist typisch für ihre Küchenphilosophie, in deren Mittelpunkt die Brachse steht (in Deutschland meist als Brasse bekannt).
Die Brachse gehört zu den stärksten Vertretern der Fischarten im Bodensee. Sie weiß sich durch viele Gräten unbeliebt zu machen. Heute wird sie wieder entdeckt. Bei der Zubereitung für kalte Gerichte wird sie in Essig eingelegt, wodurch die Gräten „gelöscht“ werden. Sie lösen sich in der Säure weitestgehend auf. Wir bekommen sie auf einem Tatar vom Randig an Buttermilchsoße mit Kräuteröl und einem Kartoffelchip. Sensationell! Wir hoffen wir auf weitere Gelegenheiten, von Wolfgang Ponier kulinarisch zu lernen.
Musikalisch lauschen wir diesmal dem Trio Natalia Tellez Ramírez, Pilar Pereira und Felipe Jauregui-Rubio, die uns mit zwei Querflöten und einem Klavier in die Welt südamerikanischer Tänze entführen. Hier wird spürbar, wie sehr sich in den letzten Jahrhunderten weltweit der kulturelle Austausch zwischen den Völkern entwickelt hat. Angesichts der Ähnlichkeiten ist erwähnenswert, dass künstlerische Talente auch in Südamerika häufig ihre Grundausbildung in den breit aufgestellten Orchestern für Volksmusik erhalten.
Betrübliche Erkenntnisse am Volkstrauertag
Sonntag, 17.11.24: Der nächste Tag beginnt trotz der Champagnerlaune im aussichtsreichen Nachklang ernüchternd: Wir verkosten ein weiteres Mal das Experiment eines Kräuterbierdrinks. Unsere sensorische Wahrnehmung lässt nur ein Urteil zu: Der Versuch ist gescheitert. Die Gründe dafür lassen sich glücklicherweise benennen.
Die Fehlerkette beginnt schon bei der Idee zur Ästhetik des Genussgetränks, die sich dann konsequent in der Rezeptur fortsetzt. Wesentliche Erkenntnis: Lass die Dinge, wie sie sind, das macht ihre Qualität aus. Leider ist der nächste Versuch im Moment nicht möglich, weil Zutaten dazu erst wieder wachsen müssen. So ist das mit Naturprodukten. Aber wir bleiben dran am Tagblatt und an seinem Hausdrink. Ansonsten halten wir am heutigen Volkstrauertag die gebotene Stille.
Am Abend packt uns die Lust auf ein gutes Abendessen. Wir wagen einen Versuch und schauen in Gohren bei der Fischerei Bösenecker vorbei. Tatsächlich bekommen wir nicht nur Filets vom Räucherlachs und geräucherten Aal, sondern auch ein bisschen Knowhow über die Brachse, deren Grätigkeit mit einer speziellen Maschine zu Leibe gerückt werden kann. Der Abend erreicht hohes Niveau.
Überraschungen vor der Wohnmobiltür
Der Wochenstart ist etwas holprig. Zuerst muss ich den 7 m-Carado an zwei Gerüst-LKWs vorbei manövrieren, um an die Freiheit der Straße zu kommen. Nachdem ich meinen Sohn von der Schule abgeholt und nach Hause gefahren habe, fahre ich nach Pfullendorf. Nach 150 km entschließe ich mich, meinen Freund P. Notker im Pflegeheim zu besuchen. Nochmal 50 km.
Nachdem ich geparkt habe, stehe ich wenig überraschend vor der Aufbautür, aber überraschenderweise auch vor einem Schlehenbusch. Ich freue mich und zupfe ab, soviel eben am Zaun zugänglich ist. Ein Kilo kommt da doch zusammen. In Gedanken überlege ich, welchen Schlehenlikör ich daraus mache. Zum Übernachten fahre ich auf den Stellplatz in Neuhausen. Das Geradestellen klappt diesmal erstaunlich gut, deshalb werde ich mich hier ein paar Tage festsetzen.
Die Schlehen kommen über Nacht ins Gefrierfach. Es gab zwar schon eine kalte Nacht, aber ich gehe auf Nummer sicher. Durch den Frost werden die Gerbstoffe zurückgedrängt.
Dienstag, 19.11.24: Endlich mal ein Tag fürs Büro ohne Unterbrechungen. Meine Carado-Landyacht hat heute Seegang. Es stürmt und regnet. Zwischen zwei Schauern fahre ich schnell an die V/E. Ansonsten bearbeite ich einige Kundenaufträge und schreibe an einem Artikel über den Carado I 338 weiter. Eigentlich auch genau das richtige bei so einem usseligen Wetter. Gegen Abend stürmt es immer mehr. Während ich am Tisch sitze, fühle ich mich wie in einem Zugabteil (allererster Klasse). Ab und an klappert es auf dem Dach. Ich glaube, der Ort bewirft mich mit Streuobstwiese.
Neues vom Eingemachten
Den Abend nutze ich, um mich endlich wieder um die noch vorhandenen roten Zwiebeln zu kümmern. Ich suche die kleinsten heraus und lasse sie nach dem Schälen in groben Stücken. Zusammen mit den Gewürzen fülle ich sie mit einer Natursalz-Lake auf. Der Konservierungsprozess setzt unmittelbar ein. Das Glas wird ganz warm. Was wohl in drei Wochen geschmacklich bei dieser Fermentation herauskommt?
Die Schlehen zwingen mich zu einem ungewöhnlichen Experiment. Da ich keine geschmacksneutralen Spirituosen an Bord habe, muss ich beim Ansetzen zu einer Notlösung greifen, damit die Schlehen nicht zu faulen beginnen. Ich setze sie mit einer halben Flasche Rotwein an, zu dem ich noch ein Fläschchen Rosmarin-Orangen-Likör und 0,1 L Invertzucker gebe, damit ich an die Haltbarkeitsgrenze komme. Das kann geschmacklich zwar schiefgehen, aber es wird mir Erkenntnisse über die Schlehen bringen.
Der raue Heuberg
Mittwoch, 20.11.24: Der Sturm geht nachts weiter, der Bewurf wird allerdings ruhiger. Die nächste Überraschung dann am Morgen: Der erste Schnee ist da! Im Wohnmobil bleibt es aber nach wie vor behaglich warm. Mein Nachbar allerdings schlittert ordentlich beim morgendlichen Gassigang. Da ich heute losfahren muss, um meinen Sohn abzuholen, wird es also spannend mit dem Glatteis.
Den tauenden Tag verbringe ich in Neuhausen, nach dem Fahrdienst für meinen Sohn, der ungefährlich war, treffe ich mich mit Freunden in Meßkirch. Ich soll helfen, ein Thai-Nagelstudio zu eröffnen. Genau mein Ding.
Wieder in Pfullendorf
Donnerstag, 21.11.24: Eine geplante Fahrt nach Stuttgart sage ich ab. Das war intuitiv richtig. Stattdessen fahre ich nach Pfullendorf. Eigentlich will ich nur ein paar Stunden hier am Stromnetz verbringen. Aber Schneefall überrascht mich, sodass ich einfach hier bleibe. Habe genug Wasser und Gas an Bord, um das Ganze gemütlich zu gestalten. Dabei hilft auch immer wieder der Klassiker Lichterkette in der Workation-Zone.
Die Frontscheibe muss ich nicht schließen. Der Dampf vom Kochen und der Schnee von außen machen den Carado auch so blickdicht. In meiner Fantasie entsteht ein eingeschneites Wohnmobil, quasi ein Iglu mit Rädern. Und es ist irgendwie faszinierend, wenn man auf einer Wiese mit Steckdose steht und dort bei Schneefall schön warm duschen kann.
Freitag, 22.11.24: Die Nacht war ruhig und erholsam. Es hat noch ein wenig mehr geschneit. Der Vormittag gehört dem Schreibtisch, am Nachmittag hole ich meinen Sohn in Sigmaringen und fahre ihn auf die Schwäbische Alb. Ich bin froh, dass ich in Pfullendorf stehe, denn hier ist auch mein Auto und ich kann den Fahrdienst mit dem PKW machen. Zurück im Wohnmobil erwarte ich freudig die nächsten Tage.