Warum muss der Mensch unbedingt fliegen, wo er doch gar nicht dafür geschaffen ist? Heißt es deshalb Ballon-„Fahren“, um diese Frage gar nicht erst beantworten zu müssen? Anlässlich der Ballon-Fiesta am Gitzenweiler Hof nötigte mich Heidrun, an einer Ballonfahrt teilzunehmen. Das führte zu Aussichten und Einblicken.
Auf der Liste der „100 Dinge, die man im Leben gemacht haben muss“ stand und steht bei mir immer noch viel – eine Ballonfahrt war definitiv nicht dabei. Ich bin auf dem Gitzenweiler Hof eingebucht, um zu meinen Bodensee-Themen Camping, Bier und Mittelalter zu recherchieren.
Doch dann greift meine Gastgeberin in meinen Masterplan ein. Der Termin fällt zufällig zeitgleich auf das Wochenende mit der jährlichen Ballon-Fiesta, die der Gitz mit den Ballonprofis von air und fun veranstaltet. Ich werde kurzerhand zum Ballonfahren eingeladen, um Fotos machen zu können.
Meine Höhenangst wird nicht weiter diskutiert. Es reizt mich und deshalb füge ich mich in mein Schicksal.
Wie geht das mit dem Ballonfahren?
Grundsätzlich findet Ballonfahren nur bei gutem Wetter statt. Schließlich ist so eine heiße Hülle nicht lenkbar. Wir starten nicht auf dem Gitzenweiler Hof. Das liegt am Ostwind und der dichten Besiedlung am Bodensee. Wir würden in der Schweiz landen.
Luftfahrttechnisch wäre das kein Problem, aber man hätte eine Menge Gedöns mit dem Zoll bei der Ausfuhr des Ballons auf der Rückfahrt. Wir fahren deshalb ins Allgäu auf den Flughafen in Unterzeil. Vor dem Ballonfahren lerne ich Andy Merk, unseren Piloten, kennen.
Er hat von Kindesbeinen an heiße Ballonluft ein- und ausgeatmet und steht kurz vor seiner 700. Ballonfahrt als Profipilot. Das schafft Vertrauen. Auf mein Thema Bier muss ich auch nicht verzichten. Andy fährt den Ballon der Brauerei Leibinger aus Ravensburg (die mit dem Seeradler) und wir unterhalten uns ein wenig darüber.
Wir gehören heute zu einer Gruppe mit sieben Ballons, darunter der air-and-fun-Ballon, der in Partnerschaft mit der Schwäbischen Zeitung betrieben wird.
Nachdem die Gruppe die große Wiese für ihre Startplätze aufgeteilt hat, beginnen wir mit dem Korb. Er ist ausgelegt für vier Personen und wird am Boden von einem Verfolger begleitet. Nein, man kann da nicht groß rumlaufen und mir wird mulmig, als ich sehe, wie klein er ist. Unsere Mitfahrer sind Anja und ihr Sohn Yannik.
Andy erklärt einiges zur Technik und zu den Verhaltensregeln. Die Begleitfahrzeuge fungieren bis zum Start als Anker. Am Abschlepphaken wir der Korb einhängt.
Alle packen mit an und bauen den Gasbrenner auf den Korb, der später die Luft erhitzt. Die kommt mit Hilfe einer Windmaschine in die Ballonhülle. Dafür müssen zwei Leute den Rand der Öffnung hoch halten, nachdem die Ballonhülle mit ihren Drahtseilen am Korb eingehängt und gesichert wurden.
Andy erzählt über die Ballonhülle. Sie war bei der Herstellung sehr teuer, weil man die Verzierung von Hand gemalt und aufgenäht hat. Nach und nach füllt sie sich mit Luft. Als sie halbvoll ist, kann Andy ins Innere gehen und die Dichtigkeit kontrollieren. Nicht wirklich klein, diese Tüte.
Wenn es ausreichend Luft in der Hülle hat, wird sie mit dem Gasbrenner aufgeheizt. Dadurch steigt der Ballon und stellt den Korb auf. Eigentlich eine sehr einfache Technologie, die schnell aufgebaut ist. Als alle soweit sind, stimmt man die Start-Reihenfolge der sieben Ballons ab und die ersten gehen hoch. Wir starten als letzte.
Das Ziel ist der Weg
Als der Korb vom Boden abhebt, gibt es einen kleinen Ruckler und nachdem Andy das Sicherungsseil ausklinkt, geht es zügig nach oben. „Wahnsinn“, denke ich. Alles unter uns wird schnell zur Miniaturwelt, der Flughafen, Schloss Zeil und die A96 – und nicht zu vergessen: alles an der frischen Luft. Nix mit Kabine und so.
Wir haben einen unvergleichlichen Weitblick über Oberschwaben und das Allgäu und unsere Ballongruppe wechselt laufend ihre Konstellation. Wir sind natürlich nicht auf einer Sternfahrt und so ist jede/r den Winden und seinen Strategien selbst überlassen. Der weiß-blaue Wipfel steht übrigens für die Stadtfarben von Ravensburg.
Anfangs bin ich recht ängstlich. Aber ein Versprechen löst sich ein: die Fahrt ist ganz ruhig. Jedes Flugzeug und jede Seilbahn schaukeln mehr.
Das zwanghafte Nach-unten-Schauen auf der Suche nach Halt ist wenig hilfreich. Ich tausche das gegen den Blick auf den Horizont und die Angst beim Ballonfahren verschwindet.
Obwohl man ja nicht davon laufen kann, fühlt es sich an, als würde man aus der Welt aussteigen. Man ist kein Teil des Erdenraumes mehr, ohne Bezugsgrößen und ohne die Gewohnheiten, sich räumlich zu orientieren. Einzig Weite, alles wird ruhiger, obwohl der Gasbrenner relativ laut ist und man sich ganz normal unterhält.
Unser Pilot Andy genießt die Fahrt im Stillen. Nach etwa 40 Minuten geht es schon wieder nach unten. Der Landezeitpunkt ist eine individuelle Entscheidung – zumindest solange man noch Gas im Tank hat. Üblicherweise dauert eine Fahrt ca. eine Stunde. Wir haben während unserer Fahrt etwa 25% des Treibstoffes an Bord verbraucht.
Man sieht die Landschaft schnell wieder näher kommen. An einem Feld kann man die Schäden von Sturm und Regen erkennen. Beim Landen erschließt sich, warum das Motto der Ballonfahrer „Das Ziel ist der Weg“ heißt.
Ein Ballon lässt sich nicht wirklich steuern und dennoch muss der Pilot zwei Dinge im Auge behalten. Erstens braucht unser Verfolger einen Zufahrtsweg und zweitens sollte durch das Ballonfahren so wenig Nutzfläche wie möglich Schaden erleiden.
Als wir uns der Wiese nähern, die Andy für die Landung ausgesucht hat, taucht ein Hase aus dem Gras auf und hoppelt davon. Nachdem wir wieder Bodenkontakt haben, hoppeln wir hinterher. Nicht um den Hasen zu fangen, sondern um noch näher an den Weg zu kommen. Leider sind Feldhasen für Weitwinkel ungeeignete Models.
Andy ruft unseren Verfolger an, der auch zügig kommt. Sich beim Ballonfahren wieder zu finden ist heute dank Smartphone und GPS keine wirkliche Herausforderung. Früher musste man oft zum nächsten Bauernhof laufen und die Kollegen per Festnetz anfordern.
Wenn man Pech hatte, durfte man mit einer Mistgabel Bekanntschaft machen, weil die Bauern Schäden auf ihren Wiesen oder Feldern im Blick hatten. Diese sind aber – wenn überhaupt – minimal und es gibt auch Ausgleichsregelungen.
Tatsächlich hören wir sehr bald die Geräusche unseres Begleitfahrzeuges und können mit dem Abbau beginnen.
Lob dem Ballonfahren: wenn Ballons glühen…
Der Abbau geht diesmal zügiger als sonst, weil wir nicht den gesamten Korb zerlegen müssen. Die Hülle ist schnell zusammen gefaltet und im Transportsack verstaut. Der Korb kommt aufgebaut auf den Hänger, weil wir zurückfahren an den Gitzenweiler Hof zum Ballonglühen.
Vier der sieben aus unserer Gruppe machen bei diesem jährlichen Event mit. Mindestens 1000 Leute säumen den Rand der großen Wiese und warten auf die Dunkelheit, als es dann mit großem Hallo und lautem Sound losgeht. Die Piloten wechseln sich rhythmisch im Sound ab, so dass die riesigen Ballons eine Art Lichttanz vorführen.
Der ganze Tag war ein Riesen-Erlebnis, das tiefe Eindrücke hinterlässt. Wer es schafft, sollte sich mal gönnen. Angst kann man schon haben, aber man kann lernen, dass die Angst eigentlich sehr wenig mit dem Ballonfahren zu tun hat. Eine skurrile, aber äußerst hilfreiche Erkenntnis. Alles andere erklären die Piloten vor Ort.
Ende und Neubeginn
Die Ballonfahrer-Taufe gehört zu den Traditionen für Erstpassagiere. Man wird „wegen großen Mutes und gehörigen Benehmens nach altem Brauch mit Feuer und Alkohol“ getauft und namentlich in den Ballonfahrer-Adelsstand erhoben. Feuer und Alkohol bedeuten nicht, dass man eine Feuerzangenbowle auf den Kopf bekommt.
Es wird eine Haarspitze angefackelt und sofort mit Seeradler gelöscht. Zu dieser Haarkur muss man sich verneigen. Das ist gut so, weil man gelernt hat, dass man wirklich nur ein kleiner Krümel im Universum ist. Dennoch dürft Ihr mich fortan „Graf Stefan, Kapitän der Allgäuer Lüfte“ nennen.
Hier könnt Ihr mehr über Aktivitäten auf dem Gitzenweiler Hof lesen.
Vielen Dank an Andy Merk, unseren Piloten, für die hervorragende Begleitung. Die Recherchen zu diesem Artikel wurden von air and fun und dem Gitzenweiler Hof unterstützt.