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#1: Es geht los: zwischen goldenem Oktober und Bonjour Tristesse

Wohnmobil im Oktober am Bodensee

Nachdem ich bei verschiedenen Herstellern für meine Pläne geworben habe, stellen mir einige für einen längeren Zeitraum ein Wohnmobil zur Verfügung. Den Anfang macht Carado mit dem I 338. Ab Oktober sind die Wohnmobile immer auch mein Redaktionsbüro für die Berichterstattung in meinem Blog tourstory.de und für das vanlifemag.de sowie camperstyle.de.

Wintercamping am Bodensee: Vanlife ohne Schnickschnack

Ein Vanlife-Abenteuer ohne Schnickschnack soll es werden. Keine übertriebenen Verrücktheiten, sondern eine Winterreise in meine Heimat. Im Mittelpunkt steht dabei der Bodensee und sein Hinterland bis maximal 20 km Luftlinie Entfernung vom Ufer. Wo kommt man im Winter mit Wohnmobil unter? Sind Campingplätze geöffnet und gibt es sogar Optionen zum Freistehen? Wie funktioniert die Versorgung mit Wasser, Gas und Elektrizität? Ist hohe Autarkie überhaupt möglich? Und wie machen sich meine Testfahrzeuge in der kühlen Jahreshälfte?

Hauptthema dieser Winterreise wir neben Camping am Bodensee das Erkunden der kulinarischen Besonderheiten der Region ums Schwäbische Meer. Dabei geht es nicht in erster Linie um Gastronomie. Die Wirte kommen bestimmt auch zum Zug, aber in erster Linie geht es um Erzeuger und Veredler. Was wächst hier und was machen die Menschen daraus, wenn es darum geht, natürliche Lebensmittel herzustellen?

Zu Carado – ohne Karacho

17.10.24: Heute, am Donnerstag, geht’s endlich los. Das erste Leihwohnmobil steht in Leutkirch bereit. Hier ist der Sitz meines ersten Unterstützers Carado. Sie haben die Redaktionen von tourstory.de, vanlifemag.de und camperstyle.de bereits im Sommer unterstützt, als wir vom Caravan Salon in Düsseldorf berichtet haben. Damals wurde uns der Carado I 448 bereitgestellt. Das ist insofern interessant, weil auf die Vanlife-Winterreise der I 338 wartet. Es bietet sich also auch die einmalige Chance, diese beiden Integrierten des gleichen Herstellers zu vergleichen.

Morgens packe ich noch und fahre mit dem Auto nach Pfullendorf. Das ist in der Nähe meiner Wohnung und vor allem komme ich von hier in nur 1,5 h mit dem ÖPNV nach Leutkirch – so zumindest sagt es der Fahrplan. Die Fahrt wird zum typischen Beispiel für den Zustand der Bahn. Im eingleisigen Hinterland Oberschwabens reicht ein einziger verspäteter Zug, um viele mit ins Fahrplanchaos zu ziehen. Die Folge: Meine Fahrt dauert doppelt so lange.

Während der Wartezeit in Kisslegg durchfährt ein Wartungszug den Bahnhof. Er dürfte so alt sein wie das Schienennetz. Dass das nicht schlecht sein muss, lerne ich im Laufe der Woche

Das bringt mich etwas in die Bredouille. Nicht wegen des Wohnmobils, die Übergabe funktioniert schnell und unkompliziert. Der Mitarbeiter von McRent kennt mich schon vom letzten Mal. Aber ich habe wichtige Medikamente in einer Apotheke bestellt, die dort am Nachmittag eintreffen. Durch die Verspätung wird’s plötzlich zeitlich eng. Dennoch schaffe ich es, kurz vor Ladenschluss dort zu sein. Das Wohnmobil bringe ich nach Pfullendorf. Ein schöner Abend wartet.

Tristesse und Zeit zum Einräumen

18.10.24: Der Freitag steht im Zeichen der Trauer. Ein alter Bekannter ist unerwartet verstorben. Sein Lebensstil hat das provoziert. Dennoch bin ich empört, wenn jemand früh sterben muss. Traurig denke ich an ihn. Es führt einem vor Augen, wie gegenwärtig der Tod ist und mahnt mich, gut zu leben. Meine Themen gesunde Ernährung und Gegenwärtigkeit beim Vanlife scheinen dazu zu passen.

Zur Bestattung von Harry gehe ich aus Gründen nicht. Stattdessen versuche ich ein paar Tage später einen Abschiedsbesuch zu machen. Aber es gibt kein Grab. Ich hoffe, das bleibt nicht so. Es wäre ein Beispiel für eine immer häufiger auftretende Bestattungskultur, die für meinen Geschmack zu anonym ist. Das Jesaja-Wort „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen„; steht nicht ohne Grund in der Bibel. Auf dem gleichen Friedhof liegt auch ein anderer Freund, der vor kurzem schon seinen fünften Todestag hatte. Er wurde nur 47 und hat mir seinerzeit sehr geholfen. Ich schaue bei ihm vorbei und sag: Danke, Schraubi.

Am Nachmittag – nach der Schreibtischarbeit – beginne ich mit dem Einräumen „meines“ Carado I 338. Das geht ganz gut und ich wundere mich, wie viel in so ein Wohnmobil hineinpasst. Zum Glück habe ich im Vorfeld darauf geachtet, möglichst nichts doppelt einzupacken. Aber es wäre ja ein Wunder, wenn ich nichts vergessen hätte. Also am Samstag die Nachhut aus der Wohnung geholt. In den nächsten Tagen werde ich auf eine Waage fahren, um mögliche Überladung zu prüfen.

Schnell fühle ich mich wohl im rollenden Zuhause. In den letzten Jahren habe ich ein kleines Ritual entwickelt, das mein Ankommen im Wohnmobil ausdrückt: Ich stelle eine Pflanze auf. Dieses Mal ist es eine Verbene. Diese Pflanzen sind recht kälteempfindlich. Deshalb darf auch sie auf Rädern überwintern. Ob’s ihr bekommt, werden wir sehen – und Kräuter dürfen auch nicht fehlen. Meine erste Station ist Pfullendorf. Ich bin unerwartet angetan, denn die alte Reichsstadt ist sehr Wohnmobil-freundlich aufgestellt.

Zum Fermentations-Workshop nach Vorarlberg

19.10.24: Am Samstag bin ich eingeladen zu einem Fermentations-Workshop in Vorarlberg. Die Touristikerinnen der Initiative #zäm haben mich dazu eingeladen. Der Weg führt mich nach Lustenau an den österreichischen Rhein und nach Bregenz in die Oberstadt. Dort lerne ich zwischen vielen Töpfen, Gläsern, Fässern und sonstigen Kübelagen Sanjay Bösch kennen, der uns das fermentieren von Gemüse nahebringt.

Nach dem Wechsel in den Klostergarten Marienberg lernen wir auch NIcolai Jochum kennen. Er wohnt in der alten Orangerie bzw. dem ehemaligen Pfarrhaus, Das ganze Erscheinungsbild und der optische Zustand der Gärtnerei mit vielen alten Maschinen und teils verwachsenen Pflanzen lässt darauf schließen, dass wir es mit einem alten Bauern zu tun haben. Doch Nicolai ist jung, ziemlich jung sogar.

Das alles hier ist kein Zufall. Nicolai und Sanjay stehen auch für eine neue, naturnahe, nachhaltige Landwirtschaft. Dazu gehören auch alte Maschinen. Nicht weil sie alt sind, sondern weil sie funktionieren. „Warum soll man immer was Neues kaufen, wenn es bewährtes Älteres gibt?“, fragt er. Dabei geht es nicht um Geiz – einige der Maschinen bekommt man für 50 Euro. Es geht darum, dass sie voll funktionieren, keine neue Energiebilanz aufmachen und für eine kleinteilige Landwirtschaft ausreichen. Es gefällt mir, dass die jungen Männer solche Wege gehen.

Die gesamte Veranstaltung wird für mich zum hochinteressanten Erlebnis mit einmaligen Begegnungen. Wir nutzen den Oktobertag, um unter freiem Himmel ein Kimchi mit Kohl aus dem Klostergarten zuzubereiten. Gerne berichte ich darüber im Artikel Fermentations-Workshop: Öffne deinen Spirit und dein Kimchi.

Ursprünglich wollte ich gleich ein paar Tage in Bregenz bleiben, aber da ich nicht gut genug vorbereitet bin, nehme ich meinen PKW und fahre Abends wieder zurück.

20.10.24: Heute ist insofern ein besonderer Tag, als es der Geburtstag meines verstorbenen Vaters ist und auch der Gedenktag des heiligen Wendelin, dessen Geist ich in den letzten Jahren viel nachgegangen bin. Mit Freunden habe ich unzählige Kirchen und Kapellen besucht, um der Verehrung des Bauernheiligen nachzuspüren. Ein Beispiel für solche Orte am Bodensee ist Hagnau. An der Pfarrkirche St. Johannes gibt es im Vorhof eine Statio mit einer Wendelins-Figur.

Das passt insofern zu meinem Thema Kulinarik am Bodensee, weil die volkstümliche Religiosität der Region das Zusammenspiel von Landwirtschaft und Schöpfungsliebe ausdrückt. Mit der Industrialisierung wurde das zurückgedrängt, aber die Menschen besinnen sich wieder auf einen natürlichen Umgang mit Pflanzen und Tieren.

Sonne, Licht und goldener Oktober

21.10.24: Heute ist ein sonniger Tag. Endlich. So kann ich die ersten Fotos vom Exterieur meines Carado I 338 machen. Ich verbinde das ganze mit der ersten Versorgung und fahre zur V/E-Station am Klärwerk in Pfullendorf, um Frischwasser zu tanken und Grau- und Schwarzwasser zu entsorgen.

22.10.24: Vor fünf Wochen habe ich meinem Lieblings-Verlag ein Exposé zu einem Buch zum Thema „Kulinarik am Bodensee“ angeboten. Endlich antwortet meine Lektorin. Nach Urlaub und Frankfurter Buchmesse zeigt sie Interesse, vertröstet mich aber, um das Projekt nochmal durchzugehen. Nun, die Lex libri braucht auch ihre Zeit. Aus vielen Gründen akzeptiere ich die Verzögerungen mit und schaue nicht gleich nach einem anderen Verlag, bis das hier geklärt ist.

23.10.24: Toll, der Herbst ist da. Ich habe mir einen Magen-Darm-Infekt gefangen und weigere mich, Fotos zur Veranschaulichung zu posten. Nach einer sehr unruhigen Nacht schone ich mich, kann am Nachmittag gut schlafen und bin am Abend schon halb wieder auf den Beinen. Das gibt mir Gelegenheit, in Pfullendorf eine Kneipe mit Fußball-Übertragungen zu suchen und die Niederlage der Bayern gegen Barcelona anzuschauen. Dafür gibt es in Pfullendorf mehrere Möglichkeiten. Fühle mich gut aufgehoben im M-Life und treffe auch ein paar Bekannte.

24.10.24: Ein Abstecher führt mich nach Meßkirch. Anlass ist der Krämermarkt, der hier etwa alle zwei Monate stattfindet. Meine Absichten gelingen. Es gibt einen Gewürzestand, wo ich roten Pfeffer, Natursalz, Piment und Senfkörner einkaufe. Sie und weitere sind Beigaben zu einem Tag mit einem Halloween-Kürbis, den ich am Wochenende verarbeiten will. In der Nacht ist die erste Gasflasche leer. Ich quäle mich in die vernebelte Nacht am Pfullendorfer Stadtgarten und wechsle. Alles im Carado I 338 funktioniert schnell wieder. Es steht weitere Versorgung des Wohnmobils an. Denn auch die Aufbaubatterie ist fast leer und das Frischwasser geht zur Neige.

Fazit: eine aufregende Zeit beginnt

Es braucht Zeit, sich richtig in ein Wohnmobil einzuleben, wenn man dort nicht nur sporadisch oder für einen Urlaub lebt. Mir fallen immer wieder Dinge ein, die ich noch brauche. Hinsichtlich der Technik ist eine Frage wichtig: Wie kann ich die Autarkie verbessern, wenn ich freistehe. Das betrifft insbesondere die Stromversorgung für mein Laptop. Schließlich kann ich nicht davon ausgehen, dass an jedem Ort quasi neben dem Wohnmobil eine Ladestation steht wie in Pfullendorf. Aber ich habe eine Idee, über die ich noch berichten werde.

Was das Vanlife in der kalten Jahreshälfte zwischen Oktober und Mai mit den Themen Wintercamping und Kulinarik am Bodensee angeht, bin ich trotz häufigen Regens schon sehr zufrieden. Eignetlich kann ich mir schon sicher sein, dass ich einen besonderen Winter erleben werde. Aber die Wege stecken voller Überraschungen, also wach bleiben, lautet die Devise.

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