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Entdeckungsreise hinter die Kulissen: Werksführung bei Knaus Tabbert

Werksführung bei "Knaus Tabbert - Wir bewegen"

Basisfahrzeuge für Reisemobile Eine Werksführung bei Knaus Tabbert in Jandelsbrunn im schönen Bayerischen Wald bietet exklusive Einblicke in den Bau von Reisemobilen.

Werksführung bei Knaus Tabbert: Leichtbau ist ganz schön schwer

Am Ende einer Wohnmobil-Tour ergab sich die Gelegenheit, die Produktion der Wohnmobile und Caravans genauer kennen zu lernen. Bei einem Rundgang durch das mehrhallige Produktionsgelände lernt man den Möbelbau, die Seitenwand-Produktion und die Montage kennen. Zahlreiche Geheimnisse und Gepflogenheiten des Reisemobilbaus werden auf der etwa eineinhalbstündigen Tour präsentiert. Über allem im Reisemobilbau schwebt ein Damoklesschwert, das 3,5 Tonnen wiegt. Hier liegt die gesetzliche Obergrenze inklusive Zuladung und reisenden Menschen, damit die Führerschein-Klasse B gültig bleibt. In der Branche rechnet man zusätzlich mit einem zunehmenden Durchbruch von E-Cars, die als Zugfahrzeuge ebenfalls möglichst wenig belastet werden sollten, um einer Reise mit Caravan brauchbares Tempo und ausreichende Reichweite zu ermöglichen. „Leichter, leichter, leichter“, lautet also die Devise bei der (Weiter-)Entwicklung von Reisemobilen. Hier ein paar Highlights der Werksführung bei Knaus Tabbert, die man (notgedrungen) aus der Vielzahl der Eindrücke hervorheben kann:

Mit Sperrholzplatten fängt der Reisemobilbau bei Knaus Tabbert an.

Möbelbau: stabile Wände leicht gemacht

Die Gestaltung und der Bau des Interieurs gehört zu den Kernkompetenzen bei Knaus Tabbert. Für diesen Bereich gibt es eine eigene Produktionshalle in Jandelsbrunn, die auch die erste Station einer Werksführung bei Knaus Tabbert ist. Eines wird hier schnell deutlich: trotz Massenproduktion ist sehr viel im Möbelbau für Reisemobile noch Handarbeit. Das hat einen einfachen Grund. Das Material wird vornehmlich aus dekoriertem Sperrholz hergestellt und ist aus ästhetischen und funktionalen Gründen mit vielen Rundungen ausgestattet. Das braucht jede Menge Umleimkanten, deren Anbringung und Begradigung nicht automatisiert werden kann. Also braucht es kompetente Fachkräfte, die diese Arbeiten von Hand erledigen können.

Für die Ständer in Möbel und Wand werden Leisten (schwäbisch: Dachlatt) eingesetzt. Weiche Hölzer wie Fichte sind nicht gleichbedeutend mit schlechter Qualität. Fichte ist leicht und es werden nur gut getrocknete, astfreie und gehobelte Leisten eingesetzt.

Sandwich-Technik für leichte Möbel

Faszinierend finde ich, dass bei dickeren Wänden keine massiven Platten eingesetzt werden, sondern solche, die mit eierkarton- oder wabenähnlicher Pappe gefüllt sind, in der durch Kartonform und Verleimung die nötige Steifigkeit entsteht und durch die Hohlräume die nötige Leichtigkeit. So lässt sich das Gewicht der Möbelwände bei gleicher Belastbarkeit um 40 bis 50% reduzieren.

Auch für die Verschraubung hat man eine gute Lösung gefunden, denn die Hohlräume eignen sich natürlich nicht, um mit Schrauben zu verbinden. Mit der sogenannten Kaltschmelz-Technik werden mit Hilfe von Ultraschallwellen Dübel in das Material eingepasst, ohne dass die Leichtbau-Holzplatten wesentlich erhitzt oder durch Bohrungen angegriffen werden. Entwickelt wurde das Werkzeug bei Würth in Künzelsau (schwäbisch: Schräubles-Wirth). Wer sich mehr dafür interessiert, kann bei Würth nachlesen. An diesem Beispiel zeigt sich, dass eine Werksführung für jede/n Wohnmobilisten etwas bringt. Wer weiß, was hinter der Oberfläche los ist, kann leichter Fehler vermeiden.

Seitenwände: bewährt mit Holz und Styropor

Die Seitenwände unterscheiden sich von den Möbeln zunächst nicht vom Material – es gibt auch Kunststoff-Komponenten im Fahrzeuginnern, sondern durch die Automatisierung in der Produktion. In einer u-förmigen Fertigungsstraße werden nur noch solche Arbeiten von Hand erledigt, die sich nicht automtisieren lassen. Basis zu Beginn sind Styropor- oder Styrodurplatten, die zunächst verklebt werden. Anschließend werden mit Hilfe eines Wasserstrahls die Öffnungen des jeweiligen Modells hergestellt und die Ränder mit Holzleisten verstärkt, ehe die Außenhaut aus Aluminium aufgelegt wird. Nach dem Verkleben wird alles gedreht und es folgt noch die Innenhaut aus Holz, die zugleich die Hinterwand der Möbel bildet. Denn das Mobiliar in Reisemobilen hat keine eigenen Hinterwände.

Die fertigen Seitenwände werden dann in die Montagehalle gebracht. Im Übrigen geht es in den Hallen recht lebendig zu. Überall sind Menschen unterwegs, mal zu Fuß, mal mit dem Fahrrad, mal mit einer Ameise, einem Elektrozugfahrzeug samt Anhänger oder einem Stapler. Man sollte sich also diszipliniert verhalten, damit alle gut aneinander vorbei kommen.

Montage: komplexe Konstruktionen für leichte Reisemobile

Wenn alle Komponenten, also Basis, Möbelteile, externe Teile, Geräte und Außenwände vorhanden sind, geht es in die Montage. In vier Straßen werden die Reisemobile in Jandelsbrunn zusammen gebaut. Die Produktion erfolgt immer in Losgrößen nach Bedarf, das heißt: es werden so viele Fahrzeuge eines Modells hergestellt, die gerade in der Bestelliste sind. Denn auf Lagerung wird hier nicht gearbeitet, nur bestellte Fahrzeuge werden produziert und an die Händler ausgeliefert.

Wohl dem, der hier durchblickt

Leichtbau von Grund auf

Das Thema Leichtbau-Chassis für Reisemobile ist topaktuell. Denn sie können möglichst leicht gebaut werden und so auf Freizeitfahrzeuge abgestimmt werden, dass sie die anderen Komponenten bestmöglich einschließen. Für die Hersteller ist das eine Zulieferung udn bei Knaus werden eigene konstruierte Chassis bisher in Caravans eingesetzt. Auf den Chassis werden die Bodenplatte tragend montiert und die quasi gewichtslosen Radkästen aus dem Kunststoff EPP eingesetzt. EPP ist robust und extrem leicht und wird auch bei der Verkleidung der Staukästen eingesetzt. Das sind Komponenten, die so richtig für Erleichterung sorgen.

Diese Form von Chassis bringen eine Gewichtseinsparung von 35%.

Reisemobile werden immer von innen nach außen aufgebaut. Das hat einen banalen Grund. Die meisten Möbelteile würden gar nicht durch die Außentür passen. Außerdem sind die Seitenwände auch die Rückwände der Schränke oder des Küchenblocks. Das spart auch wieder Gewicht und man hat während der Montage von außen und innen Zugang zum Verlegen von Kabeln, Rohren, Schläuchen und Verbindern.

Ein Kühlschrank wird mit einem Kran angefahren.

Beim Ausbau ist alles leicht zugänglich.

Heftig: Dachmontage bei Alkoven

Während meiner Werksführung bei Knaus Tabbert wurden einige Alkovenmodelle montiert. Das ist etwas überraschend, weil diese Reisemobilform aktuell nicht sehr beliebt ist und von anderen Grundrissen und Konstruktionen abgelöst wurde. Grund für die Neubauten stellen laut unserem Guide Karl Wahtveitl vornehmlich die Vermietung dar. Knaus Tabbert hat für Mietmobile in den letzten Jahren die Marke Rent and Travel aufgebaut, wo der Nasenbär – wie Alkoven auch genannt werden – zum Einsatz kommt. Bei der Montage werden die fertigen Seitenwände zunächst auf einer Empore gelagert und mit dem Kran am Chassis, Rhamen, Boden und Mobiliar angebracht.

Heftig ist die MOntage bei den Dächern der Alkoven. Wegen der runden Form der Seitenwände muss das Dach flexibel sein und die Facharbeiter müssen ordentlich ran beim exakten Zuschnitt und Einpassen, damit es optisch und technisch alles passt und dicht ist.

Am Ende der Fertigungsstraße wartet dann die Qualitätskontrolle. Mit Hilfe einer detaillierten Checkliste werden mögliche Mängel aufgespürt und beseitigt. Seit kurzem bietet Knaus Tabbert die Möglichkeit, das eigene Reisemobil vor Ort abzuholen.

Mein persönliches Fazit

Es ist immer eine gute Gelegenheit, an einer Werksführung teilzunehmen. Solche Angebote sind ein einmaliges Erlebnis und hier kann jede/r eine Menge lernen, was auch im alltäglichen Umgang mit dem Reismobil nützlich ist. Knaus Tabbert gehört bekanntlich zu den führenden Herstellern in Europa und hat dennoch eine Menge Entwicklungsluft nach oben. Dies gilt insbesondere für Chassis-Eigenkonstruktionen für Wohnmobile. Angenehm überrascht war ich vom traditionellen Wändebau mit Styropor, Holz und Alu. Dies dürfte vermutlich auch unter Recycling-Aspekten eine gute Lösung sein.

Hinweis in Zusammenhang mit dem Bloggercodes

Vielen Dank an Knaus Tabbert für die Unterstützung meiner Tour durch Bereitstellung eines Knaus Sky TI MEG 700, für die Einladung zur Werksführung, die sehr anschauliche Präsentation durch Nicole Schindler und Kurt Wachtveitl und die Ausnahmegenehmigung zum Fotografieren. Honorar ist für diesen Blogpost keines geflossen und inhaltliche Einflussnahme gab es nicht.

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