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Hopfen. Malz. Kurpfalz: 3 Tage Bier-Tour in die Rhein-Neckar-Region

Zapfhahn vor Bierregal

Für viele das Tier des Jahres 2016: der Zapfhahn

Es muss nicht unebdingt ein Jubiläum des Reinheitsgebotes sein, um die die Kurpfalz als Bierregion kennen zu lernen. Der Plan klingt dröge: drei Tage, sechs Brauereien, 19 verkostete Biersorten und keine Ahnung, wieviele Wirtschaften.

In der Kurpfalz heißt es „Hopp, Hopp, Hoppe zoppe“

Das Hoppe zoppe, also das Ernten und Aussortieren der Hopfendolden zum Brauen, war früher Schwerstarbeit. Die Bierausstellung im Schwetzinger Karl-Wörn-Haus würdigt das Hopfenzupfen. Hier gibt es Einblicke in die Geschichte, das Handwerk und die Kultur des Bieres.

Unser Brauereihopping beginnt in Mannheim und wir lernen schnell, dass SAP-Mitgründer Dietmar Hopp auch auf die Brauereilandschaft in der Region Einfluss genommen hat. Zwar ist er häufig ein großer Stifter und Initiator, aber beim Thema Ber in der Kurpfalz wird sein Name quasi Programm.

Eichbaum: schulmeisterliche Braukunst für den Weltmarkt

Wenn eine Brauerei so groß ist, dass man vor Verirrung auf dem Firmengelände gewarnt wird, weiß man: hier geht es gleich in die Vollen. Wir lernen die Härten des Biermarktes kennen, probieren die Vielfalt der Sorten und machen ein Bierdiplom. Für Romantik ist in Großanlagen mit etwa 250 Mitarbeitern wenig Platz.

Dunkles Hefeweizen für den chinesischen Markt

In den 1990ern, während einer Krise im nicht enden wollenden Brauereisterben, schien tatsächlich Hopfen und Malz für die Großbrauerei der Kurpfalz verloren. Eichbaum war damals Teil von Henninger. Selbst als Dietmar Hopp 1999 als Investor einspringt, rechnen im Krisenjahr 2009 bei Eichbaum viele damit, dass sie abgewickelt werden.

Doch es kommt anders: Dietmar Hopp investiert noch einmal und die Eichbaum-Brauerei wird in der Region als autonomes Unternehmen erneuert.

Will man einen Betrieb, seine Mitarbeiter und seine Tradition behalten, sind größere Brauereien stark exportabhängig. Das meint natürlich nicht die Abhängigkeit von der Sorte Export. Eichbaum liefert 60 Prozent des Ausstoßes nach China. Dafür fahren Produktion und Kapazität – zumindest 2016 – auf 100 Prozent. Das ist in Brauereien heutzutage eher selten.

Bei unserem Besuch im Gästebereich der Eichbaum-Brauerei ist Nikolaus Satter unser persönlicher Gastgeber. Lange Jahre war er Brauer und Mälzer bei Eichbaum, heute führt er Gruppen durch die Brauerei. Schon vor dem Gespräch genießen wir ein erstes Fläschchen: das rote Räuberbier. Die Farbe (die vom rötlichen Malz kommt) ist nicht gerade ein Alltagsbier in der Kurpfalz.

Dennoch hat sich das Räuberbier seit 2008 durchgesetzt und behauptet. Nicht nur der Geschmack gibt ihm Recht. Ich weiß zwar nicht, ob man bei der Namensgebung damit gespielt hat, aber bei Räuberbier fällt mir sofort ein, dass Schillers Stück „Die Räuber“ in Mannheim uraufgeführt wurde.

Noch mehr Erinnerungen an die Schulzeit kommen, als uns Nikolaus Satter Bier-Unterricht erteilt.

Es gibt eine umfängliche Bierprobe, bei der wir Pils, Kellerbier, Export, Weizen, Räuber, einen Bock und einen crafted Doppelbock verkosten. Während dessen werden wir im Brauprozess unterrichtet. Aufpassen empfiehlt sich, denn er kann schon mal nachfragen: „Hann se des verstande? Könne se nommal wiederhole?“ Tja, wohl dem, der keine Zensuren mehr braucht.

Das Zuhören lohnt sich. Bier ist ein interessantes Thema und Menschen wie Nikolaus Satter kann man ein Loch in den Bauch fragen. Beim Test für das Bierdiplom muss man verschiedene Fragen beantworten, um das begehrte Papier zu erhalten. Die Fragen sind nicht ganz einfach, aber die Regeln großzügig: Reden ist erlaubt, Fehler beim Nachbarn abschreiben nicht.

Mir gefällt die Transparenz, mit der Eichbaum seine Position im momentanen Hype um Regionalität, Craft Beer und Reinheitsgebot behauptet.

Mittendrin in Schwetzingen: Brauhaus zum Ritter

Am nächsten Tag sind wir in Schwetzingen. In Schwetzingen gehört zum Fass- auch der Spargelanstich – und natürlich das Schloss. Ende April sind die ersten Stangen des königlichen Gemüses auf dem Wochenmarkt zu haben. Dort steht auch das Spargeldenkmal, hinter dem ich direkt neben dem Schloss eine Gasthausbrauerei entdecke.

Die Hausbrauerei Ritter steht nicht auf unserem Programm, aber sie macht mich neugierig. Ich will schnell eine kleine Kostprobe nehmen, aber am Vormittag wird noch aufgebaut, also bleibt’s bei einem Foto des schönen Gastraumes.

Welde macht die Welle

Welde ist bekannt für kreative Marketingstrategien. Die eigene Flaschenform (samt Pfandsystem!) gibt den Welde-Bieren Aus- und Ansehen.

Offenheit für gehobene Ästhetik gibt es in der familiengeführten Braumanufaktur Welde seit Generationen. Das ursprüngliche Stammhaus in der Schwetzinger Innenstadt wurde im Bauhaus-Stil errichtet, auch hat man bis vor Kurzem einen eigenen Kunstpreis ausgelobt.

Seit man beim Craft-Bier eingestiegen ist, ist eher die Braumanufaktur selbst das Atelier des Hauses. Das gesamte Auftreten appeliert nicht nur an den Durst, sondern auch an den Geist.

Dr. Hans Spielmann, Inhaber und Geschäftsführer der Welde-Brauerei

Alles bei Welde ist ein Mix aus Produktentwicklung, Arbeitsethik, Design und Architektur, um deutlich zu machen, dass Welde-Bier nicht nur gebraut und verkauft, sondern auch gelebt wird. Das können andere Brauereien vielleicht auch, aber das Image hat bei Welde sehr wenig von dunkel-zünftiger Bierseligkeit, sondern zeigt sich in einem ganz modernen Zuschnitt.

Man darf trotz aller Liebhaberei dabei nicht vergessen: Brauereien sind Produktionsfabriken für Bier-Produkte und bei Welde hat man umfangreich in die Bierwelt investiert, um sie auch als Erlebnisort zu installieren.

Überall im Haus sind Aussagen über die Philosopie von Welde platziert.
Das Welde-Craft-Beer-Trio „Hop Stuff“, „Badisch Gose“ und „Bourbon Barrel Bock“, das im Holzfass reift.

Am wichtigsten bleibt aber immer noch das Geschmackserlebnis. Ein Beispiel: Hop Stuff ist ein kaltgehopftes helles Lager. Seine Limetten- und Melonen-Aromen geben dem (nach dem Reinheitsgebot) gebrauten und naturbelassenen Kellerpils eine sommerlich-fruchtige Frische.

Auch die (typo-)grafische Aufmachung der Biere überzeugt. Der Stil der Flaschenetiketten ist puristisch, spiegelt etwas von der Ursprünglichkeit, die diesen Bieren anhaftet und auch das Wording gefällt mir. Ich muss freilich googeln, denn der Untertitel „Ella+Equinox“ klingt für mich geheimnisvoll.

Es handelt sich aber nicht um einen werblichen Neologismus, sondern meint einfach die beiden verwendeten Hopfensorten. Einfach, klar, bildend für Nichtkenner und inhaltsstark für Kenner. Meine Zunge bleibt indifferent: leckergeil, das Weldebier, also ein Riesenkompliment an die Brauer. Sensorik-Schulungen liohnen sich auch.

An der Quelle: Brauerei zum Klosterhof

In Heidelberg fahren wir erst ein Stück den Neckar entlang, um das Stift Neuburg zu besichtigen. Die Neuburg hat viele weltliche und geistliche Phasen erlebt. Das Benediktiner-Kloster ist die letzte Gründung des Beuroner Erzabtes Raphael Walzer OSB, der nach Konflikten mit den Nazis sein Abbatiat beenden musste, nach Frankreich und Nordafrika ging.

Zur 2009 gegründeten Brauerei zum Klosterhof gibt es vordergründig einen lediglich örtlichen Zusammenhang.

Till Barucco, genannt der Bierzauberer, stellt uns die Heidelberger Brauerei zum Klosterhof vor.

Im ehemaligen Viehstall des Klosters wird hier zum ersten Mal gebraut, was etwas verwunderlich ist. Denn die Brauerei und das Kloster verfügen über eine gemeinsame Quelle mit hervorragendem Wasser.

In der Brauerei Klosterhof wird von Hand ettiketiert.

Auf einem alten Blechschild in der Brauerei steht: „Flaschenbier auf die Straße“. Das trifft das Konzept des Teams ziemlich gut, denn die Bio-Bier-Brauer arbeiten nicht nur mit zertifizierten Zutaten und qualitativ hochwertigem Wasser, sondern sie verzichten auch aufs Pasteurisieren. Dadurch reduziert sich die Haltbarkeit, erhöht aber zugleich die geschmackliche Qualität.

Hier zeigt sich eine der Chancen für sehr kleine Brauereien. Kleine Ausstoßmengen werden direkt verkauft und können auf lange Haltbarkeit und Lagerung (zum Verkauf, nicht zur Reifung!) verzichten. Die Heidelberger Bürger (und auch die Gäste) ziehen mit und haben sich teilweise die 1-Liter-Flaschen der Brauerei zum Klosterhof schon zu ihrem Hausbier gemacht.

Die Brauerei ist mit dem Kloster, ihrer Gaststätte und dem Hofladen zwar auch ein beliebtes Ausflugsziel, aber man muss sie nicht unbedingt jedesmal den Weg auf den Berg auf sich nehmen. Anfangs lehnten es die Heidelberger Supermärkte ab, das etwa drei Wochen haltbare Bier in ihr Sortiment aufzunehmen.

Da hat man aber die Rechnung ohne den Kunden gemacht, der ohne Marketing-Initiative der Brauerei so lange in den Supermärkten nachgehakt hat, bis diese auf die Brauerei zu kamen. So hat die Brauerei ihre wirtschaftliche Grundlage erweitert und sich zugleich auch gewisse Freiheiten zur Bewahrung ihres Gründergeistes erarbeitet.

Neben einigen Standardsorten (die an sich schon einen wunderbar-frischen Geschmack bieten) ist man auch in die saisonale Produktion von (Craft-)Bieren eingestiegen. Besonders ragen die hauseigenen Siegelbiere heraus, die aufwändig in Holzfässern hergestellt werden.

In den Fässern verschmelzen die eingesogenen Holznoten von Sherry, Whisky, Weiß- und Rotwein mit den Aromen der eigens dafür gebrauten Starkbiere. Bei einer Limitierung von maximal 600 Flaschen je Sorte hat das seinen Preis. Wer aber ins Bierkennen einsteigt, wird schnell schleckig und lernt, dass man nicht alles auf dieser Welt ausprobieren kann. Alleine das ist schon Grund genug, wählerisch zu werden.

Heidelberger Schlossg’heul

Einen skurrilen Abend erleben wir im „Roten Ochsen“. Der war früher die Wirtschaft schlechthin der farbentragenden und schlagenden Studentenverbindungen. Dieses Image wird nach wie vor gepflegt, auch wenn die Verbindungen heute längst nicht mehr im Roten Ochsen politisieren bzw. ihre Mitglieder vernetzen.

Die Einrichtung aus Verbindungsfotos, Bismarck, badischen Fahnen und Holzschnitzereien ist zwar historisch-kaiserlich, aber die Flaggen der Verbindungen von heute wehen vor anderen der zahllosen Heidelberger Kneipen. Der Rote Ochsen scheint also eine touristische Folklore-Veranstaltung zu sein.

Wie auch immer: die hier aktive Brauerei Heidelberger (früher auch Schloßquell) ist das zweite Brauereiprojekt in der Kurpfalz, das Dietmar Hopp durch sein Engagement retten konnte.

Noch skurriler wird die Szenerie durch das Auftreten des Brauereichefs von Heidelberger. Er begrüßt uns als Gastgeber, obwohl wir – wie ich später erfahre – überhaupt nicht verabredet waren. Das Ganze gipfelt dann in den Beschwerden des Bierproduzenten bei den Kollegen, dass Heidelberger von unserem Veranstalter nicht in die Reise eingebunden wurde.

In der Gasthaustradition: Kulturbrauerei Heidelberg

Mitten in der Altstadt von Heidelberg steht die Kulturbrauerei in der Tradition der Brauereigasthäuser. Neben dem Schank- und Bewirtungsbetrieb unterhält man auch ein Hotel. Auch das Bier von hier gibt es auf die Straße (Exklusive Zielgruppe: Halbzeitbedürftige). Die kleinen Sude erlauben auch hier den Verkauf von nicht pasteurisiertem Frischbier.

Die Inneneinrichtung steht in der Tradition des Hauses und schafft durch die Kronleuchter und Wandmalereien eine besondere Atmposphäre

Das Sudhaus ist ein Neubau und entsprechend modern. Jeder Tank im Lager hat eine eigene Kühlung, die unabhängig von der Raumtemperatur gesteuert werden kann. So kann man auf kleinem Raum unter- und obergärige Biere unabhängig von der Reifezeit einlagern. Das spart eine Menge Platz, wenn man bedenkt, dass es Temperaturunterschiede von 10-15° bei der Gärung gibt.

Die Kurpfalz, eine Bierregion mit starken Überraschungen

Bier spielt in klassischen Weinregionen oft in vornehmer Zurückhaltung die zweite Geige und der Bierreichtum dieser Destinationen kommt nur zu besonderen Anlässen ans Licht. Seit letztem Jahr habe ich zehn bis zwölf Brauereien kennen gelernt und selbst wenn sich die „Basics“ des Brauhandwerks wiederholen, so gibt es doch in jeder Brauerei auf ihre Art vertiefende Dinge kennen zu lernen.

Jeder sollte einmal eine Brauereiführung, ein Brauseminar oder eine Verkostung mitmachen. Fast jede Brauerei bietet solche Erlebnismöglichkeiten an. Bier ist ein unerschöpfliches und komplexes Thema, das für (Wissens-)Durstige immer etwas zu bieten hat.

500 Jahre Reinheitsgebot – endlich Ende oder neuer Anfang?

Das Jubiläum des Reinheitsgebotes bietet eine Menge Gelegenheiten, sich über die Sinnhaftigkeit dieses (modifizierten) Lebensmittelgesetzes Gedanken zu machen. Das Jubiläum lädt aber auch ein, sich von bisherigen Biererfahrungen zu lösen und Verstand und Sinne für Sortenvielfalt, Brauhandwerk und Kultur des Bieres zu öffnen.

In der Mannheimer Ausstellung zeigt eine Originalabschrift des bayerischen Reinheitsgebotes von 1516.

Viele Faktoren des Reinheitsgebotes spielen heute eine untergeordnete Rolle. Keiner fragt mehr nach Wasserreinheit, königlichem Weizenmonopol, Panscherei oder geordnetem Einsatz zur Vermeidung von Hungersnöten. Andererseits sind Befürchtungen, wonach es dann zum Verschnitt mit qualitativ minderwertigen Substanzen kommt, auch nicht unbegründet.

Die Grundsatzdebatte, ob man das Reinheitsgebot kippen soll oder nicht, scheint die Brauer selbst aber gar nicht sonderlich zu beschäftigen. Sie bleiben ihrer Selbstverpflichtung treu und sie zeigen, dass man exclusive (Craft-)Biere auch in den Grenzen des Reinheitsgebotes herstellen kann.

Bereits hier sind die kreativen Möglichkeiten unerschöpflich und man bleibt zugleich in einem Qualitätsstandard, der weltweit ein Alleinstellungsmerkmal und eben Teil der hiesigen Bierkultur ist. Letztlich bleibt die Frage, ob man sein Produkt „Bier“ nennen will oder nicht. Dennoch bleiben Grenzfälle.

Biersommelier Alex Giammarinaro erklärt das an einem Beispiel: „Wenn ich Bier in einem Sherryfass ausbaue, um es beispielsweise mit Kirscharomen anzureichern, darf ich es nach wie vor Bier nennen. Wenn ich es aber in einem Stahltank mit frischen Kirschen einlagere, breche ich das Reinheitsgebot und darf es nicht mehr Bier nennen.“ Die Diskussionen hierzu werden weitergehen…

Wer in diesem Artikel mahnende Worte zum Maß des Biertrinkens vermisst, möge höflich zur Kenntnis nehmen: mit Bier kann man keine Probleme lösen, mit Milch aber auch nicht. Und bitte stets in sich hineinhören, ob man nicht zuviel konsumiert – auch beim Joghurt.

Wer solch eine Tour auf nostalgische Weise machen will, ist mit einem Oldie-Postbus bestens beraten.

Dieser Artikel wurde durch die Tourismus Marketing Baden-Württemberg durch eine Einladung zu einer Presse-Gruppenreise unterstützt.

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