Bei den Benediktinerinnen in Bernried
„Höre!“ – Im Klostergarten von Bernried zwitschern die Vögel. Mit geschlossenen, konzentrierten Augen entstehen bewegte Bilder von Turteltäubchen, deren bunter Tanz plötzlich vom Brrrrrrummmen einer Wanze durchschnitten wird. Diese Wahrnehmung kann während einer abendlichen Meditation zwischen Gästehaus und Ufer am Starnberger See im östlichen Pfaffenwinkel im Kreis einer Reisegruppe entstehen.
Normalerweise bin ich für solche geistlichen Zusammenkünfte nicht leicht zu haben. Körperbetonte Übungen ohne den festlichen Rahmen der sonst im Katholischen üblichen Liturgie lösen in mir eher Befremden aus. Doch in Bernried bin ich offen dafür. Unsere Gruppe hat sich in dieser sonnigen und gepflegten Ruhezone im Klostergarten der Benediktinerinnen am Starnberger See zusammengefunden.
Jede/r kommt aus einer anderen Lebensperspektive, hat unterschiedliche Interessen, Begabungen, Nöte oder Anliegen, aber alle sind trotz ihrer Skepsis offen für das, was passiert. Wir verbringen eine schöne, besinnliche Stunde in der Stille zwischen Natur und Spiritualität.
Das Sich-Einlassen-Können liegt in meinem Fall an Sr. Helga Gabriela Haack, die uns im Namen ihres Konvents zu dieser Meditation eingeladen hat. Vertrauen ist schnell gefunden und wir können nach anstrengenden und anregenden Tagen einer Gruppenreise in der Ruhe des Klosters von unserem positiven Stress abschalten. „Einfach nur da sein“, vermittelt sie uns.
Mit Hilfe einiger einfacher Übungen, der heiteren Landschaft des Pfaffenwinkels und dem geprägten Ambiente eines benediktinischen Klosters führt sie uns nach einer Tagespilgerei in diese Komfortzone jenseits des beruflichen Alltages und der familiären Belastungen, raus aus dem hohen Tempo unserer Zeit. Auftankzone.
Um das erleben zu können, mussten wir nicht weit anreisen. Zwischen zwei und sechs Stunden Fahrt brachten uns in eine einmalige Landschaft aus mittelgebirgsähnlichen Hügeln, saftigen Wiesen, leuchtenden Wäldern und glänzenden Seen. Das Dorf Bernried liegt im oberbayerischen Pfaffenwinkel. Bernried und sein Kloster liegen am Südufer des Starnberger Sees.
Der Starni, wie er auch genannt wird, muss im Sommer eigentlich auch nicht viel bringen außer da zu sein. Zumindest wenn es um landschaftliche Schönheit geht. Das war wohl schon immer so, auch als es hier noch nicht so überlaufen war. Denn alleine die Tatsache, dass das Kloster dem heiligen Martin geweiht ist, deutet darauf hin, dass Menschen den Pfaffenwinkel schon sehr früh besiedelt haben. Die Forschungen bestätigen dies: merowingische Zeugnisse, also aus dem 6. oder 7. Jahrhundert, zeigen aufs frühe Mittelalter.
Aber vermutlich waren auch die Römer hier schon zugange. Wie auch immer: das Kloster ist die älteste bekannte Einrichtung in Bernried und bestand als Augustiner-Chorherrenstift mindestens von Beginn des 12. Jahrhunderts bis zur Säkularisation 1803, also rund 700 Jahre. Nach dem zweiten Weltkrieg erwarben es die Missions-Benediktinerinnen von Tutzing und eröffneten hier ein Filialkloster mit Noviziat und Bildungshaus.
Zu Gast im Pfaffenwinkel bei der Patrona Bavariae
Anlass unserer Reise war das Hochfest Mariä Himmelfahrt, das weltweit von katholischen, orthodoxen, anglikanischen und armenischen Christen am 15. August begangen wird. Der vollständige Name dieses Hochfestes in der katholischen Kirche heißt auch „leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel“ oder „Aufnahme der seligen Jungfrau Maria“. Dieses Glaubensfest ist nicht biblisch überliefert, sondern entstand in der kirchlichen Tradition der Spätantike.
Die Kirchenväter gingen davon aus, dass die leibliche Aufnahme der Gottesmutter Maria deshalb möglich war, weil sie ähnlich unschuldig, also ohne Sünde, gelebt hat wie ihr göttlicher Menschensohn. Der Glaube selbst gilt aber dem dreifaltigen Gott gilt und nicht Maria. Sie ist die verehrte Vermittlerin des Glaubens durch ihr Vorbild in der Hingabe an Gott.
Mariä Himmelfahrt: Patrozinien, Wallfahrten, Kräuterbuschen und Lichterprozessionen
Zum Brauchtum an Mariä Himmelfahrt gehört auch das Binden und Weihen von Kräuterbüscheln, die am Vortag gebunden werden und während der Patroziniums-Gottesdienste in den einzelnen Kirchen gesegnet werden. Üblicherweise binden sie die (Land-)Frauen. Auf dem Wieshof, den wir am Vortag besuchen, haben wir Gelegenheit, in die Tradition der Kräuterbuschen Einblicke zu bekommen.
Kräuterpädagogin Elisabeth Doll zeigt uns, wie solch ein Kräuterbuschen gebunden werden kann. Ursprünglich war das Binden von Kräuterbuschen ein heidnischer Brauch. Aber wie vieles auch wandelte sich die kulturelle Praxis. Sie wurde einerseits erhalten, andererseits aber christlich ausgedeutet.
Das Binden ist an sich kein Hexenwerk. Die Kräuter werden an den Stengeln mit einem Stoffband umwickelt. Die Auswahl der Kräuter ist zwar grundsätzlich frei, doch gibt es verschiedene „Zutaten“, die Glaubensinhalte symbolisieren und transportieren. Elisabeth erklärt uns, dass dort beispielsweise Kräuter gegen Frauenleiden eingearbeitet werden. Dazu gehören Johanniskraut, Schafgarbe, Minze und Salbei. Meist dabei ist auch die Königskerze. Durch sie wird um Schutz vor Blitzeinschlag gebeten.
Es gibt aber auch Kräuter mit direktem biblisch-christlichem Bezug. So steht der Rohrkolben für die Lanze Christi oder Getreide für Brot und damit für den Leib Christi. Nicht fehlen darf die Rose als Symbol für Maria selbst, die in der Lauretanischen Litanei als „geheimnisvolle Rose“ oder „Rosa mystica“ besungen wird. Man nennt sie auch „Rose ohne Dornen“.
Da es speziell in Bayern sehr viele Kirchen mit dem Titel „Mariä Himmelfahrt“ gibt, finden am Patroziniumstag 15. August ebenso viele Feste statt. Wir kamen mit zweien in Berührung. Zuerst in Jenhausen während einer Pilgertour mit unserer Anleiterin Gaby.
Wir kamen dort zwar erst nach dem Gottesdienst an, aber im Korb vor der Tür lagen noch einige der Kräuterbuschen, die für diejenigen gemacht werden, die keine Gelegenheit haben, sich selbst einen zu binden. So kamen wir auch zu einem Kräuterbuschen, der uns ein willkommener Begleiter beim Pilgern war.
Die Bedeutung dieses Hochfestes zu Ehren der „Frau der Frauen“ unterscheidet sich je nach volkstümlichem Brauchtum und der Glaubenstradition vor Ort. Im katholischen Bayern hat das Hochfest eine so hohe Bedeutung, dass die Gottesmutter Maria auch die Patronin Bavariae wurde. So gehört Bernried zu den rund 1700 bayerischen Kommunen, in denen Mariä Himmelfahrt auch ein gesetzlicher Feiertag ist. In Städten wie zum Beispiel Weilheim kommt dies durch eine Mariensäule zum Ausdruck.
In Bernried gehört wie an manch anderen Orten auch die Lichterprozession zu den Höhepunkten von Mariä Himmelfahrt. Mancherorts gehen Tausende von Teilnehmern den Rosenkranz betend zu einem meist etwas außerhalb gelegenen Verehrungsort Mariens. 2020 musste das wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden, aber die Benediktinerinnen von Bernried haben sich etwas einfallen lassen und eine schöne Alternative entwickelt.
Aus der traditionellen Prozession wurde eine Nacht der Lichter, bei denen nicht nur das Gästehaus im roten Kerzenschimmer erleuchtet wurde, sondern auch ein Lichterweg gestaltet wurde, den jede/r laufen und dabei auch Abstand halten konnte. In Bernried ging es dann am Starnberger See entlang rund um die Seekapelle, in der die Wallfahrts-Pieta von Bernried aufbewahrt wurde. Den Weg säumten zahlreiche Lampions mit christlichen Zeichen, die den Glauben in Jesus und Maria ausdrücken.
Zur Wallfahrt in Bayern ist ein altes Gebet überliefert, das vielerorts zur Andacht dient:
O Maria hilf, o Maria hilf, o Maria hilf doch mir,
ein armer Sünder kommt zu dir,
im Leben und im Sterben,
lass´ uns nicht verderben,
lass´ uns in keiner Todsünd sterben,
steh´ uns bei im letzten Streit,
o Mutter der Barmherzigkeit!Altes Wallfahrtsgebet
Einkehrmöglichkeiten
- Bildungshaus St. Martin Bernried
Missionsbenediktinerinnen von Tutzing
Klosterhof 8, 82347 Bernried am Starnberger See
Telefon: 08158 2550
Tipp: Obwohl Bildungshaus, nehmen die Benediktinerinnen in Bernried auch Individualgäste auf. Wichtig: Mind. sechs Wochen vorher anfragen! - Landgasthof Drei Rosen
Dorfstr. 11, D-82347 Bernried
Telefon: +49 (0) 8158 904053
Tipp: Hier gibt’s im urigen Biergarten den typischen bayerischen Krustelbratn! - Wieshof Naturpädagogik
Elisabeth Doll
Wieshof 1, 82362 Weilheim-Marnbach
Telefon 0881-2342
Tipp: Hier macht Lernen von der Natur Spaß – in Schaugärten, in der Seminarküche oder beim Genuss hauseigener Naturprodukte.
Ein ganz eigenes Thema im Pfaffenwinkel ist die Gartenkultur, von der besonders bewundernswerte Gärten hier vorgestellt werden.