Im Dickicht der Stadt: das Theater
Meine Ausfahrt nach Konstanz endet am Abend im Stadttheater. Das ist schon deshalb etwas besonderes, weil hier das älteste bespielte Theater in Europa steht. Das Konzilsmotto „Europa zu Gast“ passt hier in besonderer Weise. Das Theater kann sich hier trotz der Digitalisierung des Lebens als wichtigste intellektuelle und ästhetische Institution behaupten. Und es zeigt Präsenz in der Stadt. Nicht nur an den drei Spielorten. Immer wieder tauchen Banner auf, die das Jahresthema „Fragen der Zeit“ in Zitaten aufgreift und unser Ringen um Orientierung thematisiert.
Den Clash of Cultures sucht man im Stadttheater vergebens. Das Ensemble hat wenig Berührungsängste mit Menschen aus und in der ganzen Welt. Dies ist in Theaterkreisen zwar generell üblich und zeigt ganz pragmatisch, dass Bildung unser wichtigstes Gut darstellt. Es kommt hier aber noch dazu, dass die Konstanzer Theatermacher Projekte in Afrika unterhalten und den Austausch vor Ort fördern.
Mit Brecht auf der Suche nach dem Guten
Es gibt ein geflügeltes Bonmot unter Theaterleuten: „Der Schauspieler geht so lange zur Bühne bis er brecht“. Der Zuschauer auch. Zumindest heute. Es ist Premiere von Bertold Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“.
Die entideologisierte Inszenierung zeigt die Geschichte der von den Göttern mit Güte bedachten Tabakhändlerin Shen Te, die ein guter Mensch sein will und ihrem (schlechten?) alter Ego Shui Ta, der handlungsfähig und eigenverantwortlich bleibt. Charaktere gibt es aber keine, die Geschichte ist Folie für Stereotypen, die das Gute zum Opfer ihrer Gefühle machen. Die choreografierten Figuren halten die Maschinerie der Verwirklichung des Schlechten am Laufen, um sich selbst immer weiter ins Elend zu stürzen. Brecht gilt als letzter Heroe nonfinaler Dramaturgie: der Schluss auf der Bühne entfällt und wird ins „echte Leben“ verlagert. Jedoch entfällt heutzutage der intendierte Klassenkampf mangels Klassen. Doch mit welchem Ende dann? Das Stück muss ein Ende finden! Jedes Stück hat ein Ende. Am besten hingehen und anschauen. Den gesamten Spielplan gibt es auf der Website des Stadttheaters.
Auf der Premierenfeier erlebe ich etwas für mich Neues – zumindest habe ich es auf den vielen Premierenfeiern, auf denen ich in vielen Städten schon war, bisher noch nicht erlebt. Eine Weile nach dem Beginn ergreift Intendant Christoph Nix das Wort, um sein Ensemble zu würdigen. In ausgewählten Begriffen dankt er den Einzelnen für ihre Art der Gestaltung ihrer Arbeit. Eine schöne Form öffentlicher Wertschätzung. Und ich treffe meinen alten Freund Ralf Beckord wieder, den ich schon einige Jahre nicht mehr gesehen habe. Gemeinsam Feiern auf seinen Premieren gehört zur Tradition unserer Freundschaft und bleiben hoffentlich lebendig.
Lebendige Geschichte: eine Stadtführung durch Konstanz
Was ich auch allen nahe legen möchte, die Konstanz einmal besuchen, ist eine Stadtführung. Für das Konzilsjubiläum – vor 600 Jahren fand hier ein Konzil und die einzige Papstwahl nördlich der Alpen statt – haben die Konstanzer nicht nur ihre Stadt herausgeputzt, sondern auch verschiedenen historischen (Kunst-)Figuren mittels Kostümen und Erzählung Leben eingehaucht, die das Mittelalter in einem lebendigen Flair vermitteln. Wer mehr zum Konzil, zu Jan Hus, zur Papstwahl, zu Hübschlerinnen und mittelalterlicher Kulinarik auf einer Stadtführung erfahren will, kann sich in folgenden Artikeln weitere Eindrücke verschaffen:
- Explosiv: das Konstanzer Konzil und sein Konklave
- Das Mittelalter in Konstanz erleben: Konzil, Kähne, Kurtisanen
Stadtführungen buchen kann man bei der Tourist Info.
Ein Besuch im Münster und die Mittelalter-App
Selbstverständlich kann man auch auf eigene Faust eine Entdeckungsreise durch Konstanz machen. Besonders zu empfehlen ist das Liebfrauen-Münster. Es atmet bis heute Geist und Geschichte der ehemaligen Bischofsstadt und hält den Glauben in den Gottesdiensten lebendig. Während des Konzils war das Münster der wichtigste Verhandlungsort. Aber nicht nur den Auseinandersetzungen während des Konzils kann man hier nachspüren. Die Geschichte der Bischofskirche mit den beiden Stadt-Heiligen Konrad und Gebhard ist hier ebenso lebendig wie die Pilgerstadt. Konstanz ist bis heute ein Knotenpunkt verschiedener Jakobswege, die über das Kloster Einsiedeln durch die Schweiz weiterführen nach Santiago di Compostela. Zwischenziel in Konstanz ist für die Pilger die Mauritiusrotunde, die man über den Kreuzgang erreicht.
Wer keinen Stadtführer in Anspruch nimmt und dennoch Unterstützung wünscht, sollte sich einmal die Mittelalter App ansehen. Sie wurde von Studenten an der Uni Konstanz entwickelt und erzählt in verschiedenen Episoden auf sieben Themenrouten durch die Konstanzer Altstadt über Wirtschaft, Religion, Kriminalität oder die Schweizer im Mittelalter ebenso wie über das Stadtbild oder den Alltag im historischen Stadtzentrum. Die App kann einfach heruntergeladen werden:
- Apple App Store
- Google Play Store
Konstanz ist auch Museumsstadt. Es gibt einige interessante Ausstellungs- und Erlebnisstätten in der Stadt. Einen Anfang kann man hier nachlesen: Vater und Sohn im Archäologischen Landesmuseum.