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Fastnachts-Brauchtum im Museum Narrenschopf in Bad Dürrheim

Narrenfigur im Narrenschopf Bad Dürrheim

Aber auch ohne fotografische Ambitionen lohnt sich der Besuch des Narrenschopf in Bad Dürrheim. Sogar wer überhaupt keinen Bezug zur Fasnet hat, ist hier gut aufgehoben.

Der Hemdglonker gehört zu den Urgestalten der Fasnet, er steht für das freie Kritteln an den Obrigkeiten in Politik und Wissenschaft

Im Gegensatz zu den Narrentreffen halten die Models hier schön still. Aber jenseits der Freiheit für Perspektiven kann man im Narrenschopf in Bad Dürrheim die Grundlagen zum Brauchtum des immateriellen Weltkulturerbes kennenlernen. Das hilft beispielsweise, wenn man Reisen zu Fasnetsveranstaltungen unternehmen will.

Die Fasnet: Brauchtum bottom-up für Narren

Die Fasnet (oder Fasnacht, Fasching, Karneval etc.) ist in erster Linie lokales Brauchtum. Die Zünfte sind an ihre ursprünglichen Ortschaften und aus ihrer Geschichte entstanden, sie sind an ihre Episoden gebunden. Erst aus den Ähnlichkeiten der Bräuche geht dann so etwas wie eine Struktur hervor. Im Kern steht die Figur des Narren, der das Privileg genießt, sich über weltliche und kirchliche Obrigkeiten (und über sich selbst) lustig zu machen, um Ihnen den Spiegel ihrer Laster (Fresssucht, Wolllust, Eitelkeit,…) vorzuhalten. Will man die Fasnet bereisen, bietet sich das Museum im Narrenschopf gut als Ausgangsort an, schließlich wird es von der Vereinigung der Schwäbisch-Alemannischen Narrenzünft (VSAN) betrieben, in der die meisten der südwestdeutschen Zünfte organisiert sind. Die Ausstellung im Narrenschopf stellt durch rund 300 Figuren zahllose Narrenzünfte vor. Zu den Figuren gehören Weißnarren, Hexen, Teufel, alt‘ Wiber, Blätzlesbuba, Narrenpolizisten undundund… natürlich auch einige lokale Originale.

Der Narr steht in der Mitte der Fasnet

Weißnarren

Hexen gehören zum Stammpersonal vieler Zünfte

Der Teufel ist der Gegenentwurf zum Guten des Göttlichen

Forschung im Narrenschopf Bad Dürrheim: Wurzeln im Christentum

Das Fasnetsbrauchtum wird gemessen an ihrem Alter noch gar nicht so lange wissenschaftlich erforscht. Notwendig im aufklärerischen Sinne war dies jedoch allemal. Denn – auch das ist im Museum Narrenschopf dokumentiert – das Brauchtum wurde auch phasenweise missbraucht oder negativ interpretiert. Da sind zum einen die Instrumentalisierungsversuche durch den Nationalsozialismus, zum anderen die (ewige) Mär von der Wintervertreibung. Die Ausstellung macht Schluss mit Mythenstrickerei und zeigt stattdessen die Bezüge zum Christentum auf, aus der die Fasnet ihre konstitutive Beziehung hat. Die steckt schon im Namen, denn Fasnacht meint nichts anderes als die Nächte vor der Fastenzeit. Es gibt also so etwas wie eine liturgische Einbettung im Jahreslauf, auch wenn das nicht automatisch einen wollwollenden Bezug zum kirchlichen Leben ausdrückt. Katholisch wie evangelisch war den Oberen die >Fasnet lange auch ein Dorn im Auge. Sie griff ihre Autorität an und konterkatierte die Tugendlehren. Im Museum Narrenschopf wird das gesamte Brauchtum vorgestellt. Von A wie Abstauben bis Z wie Zunft erfährt man alles Wesentliche, was zwischen dem Einläuten am Dreikönigstag und dem Verbrennen der Fasnet passiert. Hier wird auch erklärt, warum die Fasnet in katholischen Gebieten weitaus mehr erhalten blieb als in protestantisch-reformierten.

„To fleisch or not to fleisch“ – das ist nicht die Frage…

..sondern die Antwort: denn die Fasnet ist die Zeit vor der Fastenzeit. Während die Fastenzeit die Besinnugsphase durch (innerlichen und äußerlichen) Fleischverzichtes ist, ist die Fasnet die überschwengliche Fleischeslust vor der Fastenzeit. Daher auch der Name „schmotziger Donnerstag“. Er war der letzte (sinnvolle) Schlachttag vor Aschermittwoch. Bis dahin mussten aus Gründen der Haltbarkeit sämtliche Fleischvorräte aufgebraucht sein, damit sie nicht verderben. Und man wollte vielleicht auch den Wirten nochmal Geld in die Kassen spülen, ehe die Darberei losging. Heute sind durch technische Entwicklung, ein verändertes Gesundheitsbewusstsein oder Verlust des religiösen Lebens viele pragmatische Aspekte in den Hintergrund gedrängt. Dies kann man aber auch positiv sehen: einmal im Jahr hat jede/r die Freiheit, den selbstironischen Versuch zu machen, nicht er selbst sein zu wollen und zu müssen, ehe jede/r wieder in sein gewohntes und bewährtes Leben zurück kehrt.

Nicht nur ein schwäbisch-alemannisches Phänomen

Auch wenn die Fasnet im süddeutsch-katholischen Raum sehr ausgeprägt ist, so ist sie kein Kulturgut, aus dem man eine nationale Leitkultur behaupten könnte. Ganz im Gegenteil. Die Fasnet ist auch in anderen Ländern bekannt. Kann man den Basler Morgenstreich noch zur schwäbisch-alemannischen Fasnet zählen, so geht das nicht in Italien, Belgien oder Ungarn. Hier haben sich zwar andere Ausdrucksformen entwickelt, aber der Bezug zum Christentum und der Obrigkeiten sowie das Veranstalten kulinarischer Feste verbindet über alle Grenzen. Gepaart mit Neugier ist die Fasnet also auch ein Zeichen für Offenheit und Toleranz.

Fazit: unbedingt einmal zum Narrenschopf fahren

Ein Besuch im Narrechopf-Museum in Bad Dürrheim lohnt sich in jedem Fall. In das Museum integriert ist auch ein schönes Café, das auch ganze Gruppen versorgen kann. Infos zu Öffnungszeiten etc. auf der Website des Museums Narrenschopf in Bad Dürrheim

Das Museum Narrenschopf ist mit seinen drei Kuppelbauten auch architektonisch ein Highlight.

Tipps: wer einmal viele Zünfte erleben will, sollte

Vielen Dank an das Museum Narrenschopf für die Unterstützung dieses Artikels.

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