Schmotziger Donnerstag in Konstanz bedeutet: faszinierende heiße Tage in der schwäbisch-alemannischen Fasnet.
Norddeutsche, die protestantisch und Vegetarier/in sind, könnten mit diesem Artikel und dem Schmotzigen Schwierigkeiten haben. Nicht nur für sie ist es manchmal nicht nachvollziehbar, wenn – vermeintlich plötzlich – Tausende von Menschen durch die Straßen und Lande ziehen, um Fasnet zu feiern.
Zu den großen närrischen Tagen gehört der Schmutzige Donnerstag, oder auch Schmotziger Dunschdig. Konstanz ist eines der Zentren dieser Straßenfasnet. Bereits im Morgengrauen huschen Menschen in bunten Uniformen und skurrilen Gewändern durch die Stadt, blasen in Fanfaren, Posaunen, tuten mit Hupen und trommeln auf Pauken und bereifte (Snare-)Drums.
Ab dem Schmotzigen Donnerstag werden so einige Regeln außer Kraft gesetzt, um dem närrischen Treiben Platz zu machen. Autofahrer sind gut beraten, Gnade vor Recht ergehen zu lassen, denn Narren haben wenig Interesse an Regeln, die ihr Treiben behindern könnten.
Auch an den Zebrastreifen könnte es mal länger dauern, wenn morgens um halb Acht der erste Betrunkene mitten auf der Straße erst einmal in der Nase bohren muss. Aber geht es bei der schwäbisch-alemannischen Fasnet wirklich nur um den Freifahrtschein zum Saufen? Oder steckt mehr dahinter?
Badische Trinkhilfe
Selbstvergessen in der Welt – Wurzeln der Fasnet im Mittelalter und im Christentum
Heute wird gerne vergessen, dass die schwäbisch-alemannische Fasnet zum (katholisch-)christlichen Brauchtum gehört. Das liegt vielleicht daran, dass sie äußerlich wie das Gegenteil daher kommt. Aber man kann es schon am Datum der närrischen Tage erkennen, das sich nach dem Aschermittwoch richtet.
Im Wort Fasnacht ist offenkundig, dass es sich um die Nächte vor der Fastenzeit handelt. Der spirituelle Hintergrund: einmal im Jahr können die Menschen Abstand von sich selbst und dem Versuch tugendhaften Lebens nehmen.
Das fordert Humor und Selbstironie, um sich mit Hilfe von Verkleidungen, Rollenspielen und Schabernack der Lächerlichkeit preiszugeben, jemand anderes sein zu wollen als man ist. Die mutwillige Gefährdung des Seelenheils wird bei Einigen in auftretenden Getränkeunfällen und später in der erhöhten Zahl von Christkindern sichtbar.
In der Fastenzeit kehrt man dann zurück in die Nähe Gottes und besinnt sich auf die Begrenzheit des Menschseins. In der ersten Messe der Fastenzeit wird deshalb das Aschekreuz auf die Stirn gesetzt mit den Worten: „Bedenke Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehrst“.
Die Fasnet-Imperia
Nach dem morgendlichen Wecken (der Lehrer) befreien die Narren die Kindergärten und Schulen. Anschließend geht’s ins Rathaus zur Absetzung des Bürgermeisters. Das närrische Treiben auf den Straßen setzt sich den ganzen Tag und die folgende Nacht fort. Auf der Konstanzer Straßenfasnet sind gefühlte 30.000 Menschen in der Altstadt unterwegs.
Die große Schülerparty findet zwischen Kaiserbrunnen und der Imperia (der echten) im Hafen statt. Die Marktstätte verwandelt sich bereits am Vormittag in eine einzige Tanzfläche.
Ausgelassen feiern und tanzen die jungen Leute und genießen die Befreiung vom Unterricht. Und sie lassen sich gerne fotografieren. Das Angebot nehm ich natürlich an. Überall in der Stadt sind Bühnen aufgebaut.
Der Südkurier ist am Fischmarkt aktiv, für die Guggenmusiken gibt es eine Bühne beim Münster. Viele Narrenvereinigungen und Fanfarenzüge ziehen durch die Straßen und geben an geeigenten Orten kleine Platzkonzerte. Im Laufe des Tages gibt es eine Zentrumsverlagerung von der Marktstätte in Richtung Münster und Niederburg.
Schmotziger. Gompiger. Lumpiger – Dunschdig
Nicht fehlen darf Fleisch an diesem Tag, denn der Schmotzige Donnerstag war der letzte Schlachttag vor der Fastenzeit. Da man außer geräuchertem Muskelfleisch nichts konservieren konnte und bis Aschermittwoch alles aufgegesssen werden musste, war der klassische Schlachttag Montag ungeeignet.
Und der Freitag und der Samstag waren traditionell sowieso Fastentage, der Sonntag tabu, also blieb noch der Donnerstag. Entsprechend gibt es viele „Metzelgerichte“, deren Fleisch man direkt nach dem Schlachten verarbeitet. Kutteln mit Bratkartoffeln zum Beispiel.
Heute ist das wegen Kühltechnologien und Verlust der christlichen Glaubenstraditionen nicht mehr so zwingend, aber man pflegt den fleischbetonten Magenfahrplan immer noch. Bratwürste, Kesselfleisch oder Gulaschsuppe sind einige der Favoriten. Der Tagesname kommt nach wie vor aus dieser Tradition, denn schmotzig steht für fett.
Eine der großen Traditionen besteht im Stellen des Narrenbaums um 15.00 Uhr auf dem Obermarkt. Verantwortlich dafür ist die Laugelegumperzunft, die mit Trillerpfeife und Schwalben den Narrenbaum hochstemmen. Begleitet wird das Ritual von den Konstanzer Harlekinen, einem Ableger der Laugelegumper. Die sehr junge Zunft amüsiert das Publikum mit Schalk und Akrobatik.
Hemdglonker-Umzug in Konstanz
Der letzte große Höhepunkt des Tages ist der Hemdglonker-Umzug in der Niederburg. Die Niederburg gilt als Geburtsstätte aller Hemdglonkerumzüge. Das gesamte Viertel wird mit Musik der Fanfarenzüge und lauten „Ho narro“-Rufen der Narren und Zuschauer zum Kochen gebracht.
Anschließend wird noch bis tief in die Nacht in den Weinstuben und Lokalen der Niederburg und der restlichen Altstadt gefeiert. Man sollte also ein bisschen Kondition mitbringen. Aber die beschwingte Stimmung trägt einen immer auch mit.
Ein schmotziger Dunschdig in Konstanz ist wirklich eine Sensation und ein unvergleichliches Erlebnis für alle, die auch nur ein bisschen für die Fasnet übrig haben.
Tipps
- Bevor man an der Fasnet teilnimmt, sollte man sich die Narrenfahrpläne besorgen. Die meisten Zünfte stellen sie auf ihren Internetseiten ein, aber auch die Tourist-Infos helfen weiter.
- Wer gerne viele Zünfte sehen will, sollte in die Zentren wie nach Konstanz gehen oder die Landschaftstreffen der Vereinigung Schwäbisch-Alemmannischer Narrenzünfte (VSAN) besuchen.
- Wenn Du der Fasnet aus dem Weg gehen willst und stattdessen eine Zeit in Stille und Zurückgezogenheit verbringen willst, geh bitte nicht in süddeutsche Klöster. Du würdest dich vermutlich aufregen über Mönche und Nonnen mit bunten Kappen und Pappnasen.
- Wenn du hingegen die gesamte Fasnet am Bodensee verbringen willst, bekommst du hier Tipps für alle närrischen Tage am Bodensee mit dem Wohnmobil.
Dank geht an die Internationale Bodensee Tourismus und die Tourist Info der Stadt Konstanz für die Unterstützung dieses Artikels.