Matthias Kehle: Womo

Buchtipp: Matthias Kehle: Womo – Einen Spiegel erwischt es immer

Was macht ein passionierter, langsam alternder und am Bewegungsapparat erkrankter Bergsteiger, der nach wie vor seinen motorischen Drang im heißen Herzen trägt?

Richtig, er sucht sich Alternativen. Beim Ich-Erzähler dieses Reisebuches wird daraus eine Tour mit dem Wohnmobil zu den Höhepunkten aller 16 Bundesländer, obwohl er einen Campingplatz das letzte Mal vor 20 Jahren frustriert hinter sich gelassen hat. Sein Ziel: die jeweils höchsten Berge (oder Erhebungen) der 16 deutschen Bundesländer (Stand 2017). „Womo – Einen Spiegel erwischt es immer“ erzählt autobiographisch die Geschichte des waidwunden Kletterers und Bergsteigers, der nicht nur seine neue Begrenzung ertragen, sondern sie auch noch seiner Frau zumuten muss. Psychologisch würde man vielleicht sagen: er stellt sich einer Neuausrichtung in der Midlifecrisis, um mit den Bedingungen einer neuen Lebensphase zurecht zu kommen. Doch zum Glück schert sich der Ich-Erzähler wenig um Verallgemeinerung und bleibt ganz konkret und frei in der Wahl zwischen Tollpatschigkeit und Souveränität.

Der passionierte Gipfelstürmer erlebt zum Beispiel etwas, was jemand mit einem hervorragend gebildeten Orientierungssinn eher wahnsinnig macht. Er vergisst im Kampf gegen die Entzündung und um die Einhaltung des Reiseplans spontan, wie man einen Kompass liest. Er steht plötzlich ohne Einnordung da. Im Wohnmobil erlebt das Protagonistenpaar ähnliches. Wie funktioniert nochmal der Kühlschrank? Warum läuft der Wasserhahn nicht? Doch mit Hilfe einer ordentlichen Portion Humor und dem (quasi) natürlichen Paradigma „Ohne Moos nix los“ retten sich die Reisehelden aus den bedrohlichen Situationen. Grünes Moos an Bäumen zeigt die gleiche Himmelsrichtung an wie der rote Pfeil des Kompasses. Und ja, auch in Mecklenburg-Vorpommern gibt es Supermärkte zur Selbstversorgung, die Zweifel selbstbewusster Süddeutscher einfach ignorieren.

Matthias Kehle schreibt das Buch nicht, weil er Offliner ist, ebenso wenig ist er ein Social Media Storytelling-Nerd – zumindest nicht mehr, seit er seine Blogs vom Netz genommen hat. Erzählen kann er dennoch – ganz persönlich und in lakonischer Selbstironie. Seine Ausfahrt über die 16 Summits der Bundesrepublik ist ein Wohnmobil-Buch von Anfängern, aber nicht nur für Anfänger. Es ist ein Buch über genau eine Reise, nicht der Weg eines Bloggers ins digitale Nomadentum, aber irgendwie auch ein gebloggtes Buch. Man muss die Kapitel nicht zwingend in der Zeitschiene der Route lesen. Und für die eigene Tourenplanung liefert sie in Einschüben Infos über Entfernungen und Reiseziele, Sehenswürdigkeiten und Hintergründe: mal touristisch, mal historisch, mal geografisch. Ein kurzweiliges Lesevergnügen.

Buchcover von Matthias Kehle: Womo Matthias Kehle
Womo – Einen Spiegel erwischt es immer

In 20 Tagen mit dem Wohnmobil zu den Höhepunkten aller 16 Bundesländer
256 S. / 14 x 21 cm / Paperback
Oktober 2018
ISBN 978-3-8392-2310-9
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