Die Donau versickert kontinuierlich während des ganzen Jahres. Bei diesem einmaligen Naturschauspiel verschwindet die Donau phasenweise vollständig und hinterlässt ein trockenes Flussbett.
Die Donauversickerung ist ein weltweit einmaliges Geophänomen. Es vereint verschiedene Schwerpunkte, mal kulturgeschichtlich, mal fotografisch, mal biologisch, und vor allem geologisch. An der Jungen Donau zwischen Immendingen und Tuttlingen-Möhringen wiederholt sich jährliches dieses Naturschauspiel.
Die Donau verschwindet an bis zu 200 Tagen im Jahr komplett im Erdreich und hinterlässt ein trockenes Flussbett, auf dem Wasserpflanzen wachsen und an den Böschungen kann während einer Wanderung Treibgut von unten betrachtet werden. An den Stellen mit Donauwasser fließt sie punktuell sogar rückwärts. Wie kann es sein, dass ein so wasserreicher Fluss komplett verschwindet?
Donauversickerung oder Donauversinkung?
Dieses Ereignis entlang der Donau nennt man – ja, wie eigentlich? Mitunter wird darüber diskutiert, ob dieses Geophänomen nun Donauversinkung oder Donauversickerung heißen sollte? Hier wird diese Frage nicht abschließend beantwortet werden.
Fakt ist jedoch: beide Begriffe werden gebraucht und meinen den selben geologischen Vorgang. Immendingen trägt die Bezeichnung Donauversinkung im Ortsnamen, doch die Verantwortlichen einigen sich zunehmend auf Donauversickerung.
Abgesehen davon, dass das Abtauchen die Diskussion um den Anfang der Donau unfreiwillig befeuert, geschieht das Auf und Ab und Hin und Her der Donau bei niedrigem Wasserstand sichtbar an Schlucklöchern entlang der Uferböschung. Hier entsteht ein Sog, der in Wirbeln und glucksenden Abflüssen das Wasser nach unten in die Gesteinsmassen zieht.
Sogar bereits an Schlucklöchern vorbei geflossenes Wasser wird manchmal erfasst und lässt die Donau rückwärts fließen.
Hinter der Donauversickerung steckt ein gigantisches, sich laufend vergrößerndes unterirdisches Höhlensystem, das sich im Laufe von Jahrmillionen zwischen verschiedenen Weißjurabanken gebildet hat. In Zwischenräumen löst das Donauwasser jährlich ca. 12.000 Tonnen Kalk und vergrößert so permanent die unterirdischen Hohlräume und damit auch die Aufnahmekapazität des Donauwassers.
Die Zeit während die Donau sowohl versickert als auch weiter und somit in zwei Weltmeere fließt, sinkt kontinuierlich. Immer geringer wird die Wassermenge, die ins Schwarze Meer fließt. Zugleich steigt die Menge, die in die Nordsee fließt. Diese Speisung von zwei Meeren macht die Donauversickerung zum einmaligen weltweiten Geophänomen. Im unterirdischen Jurakalk-Gebilde fließt das Donauwasser entlang der europäischen Wasserscheide etwa 60 Stunden lang unter der Erde. Dann stößt es 175 Höhenmeter tiefer im Aachtopf wieder auf und macht diesen zur größten Quelle Europas.
Wandern und Radfahren an der Donauversickerung
Sieht aus wie ein Radweg, ist aber keiner: Radfahrer nutzen während der trockenen Monate die Gelegenheit und fahren ein Stück im Flussbett. Wirklich komfortabel ist die Fahrerei auf den Kiesfindlingen nicht, aber dennoch ein kleines Abenteuer.
Entlang der Donauversickerung führt der Wanderweg „Donauversinkung“, der geologisch Interessierte anlocken will. Der Rundweg schließt auch den Kratersee Höwenegg und verschiedene Dolinen ein. Entlang der Wegstrecke am Ufer befinden sich immer wieder Schautafeln mit Erläuterungen. Sie beantworten Fragen wie „Was macht ein Fisch ohne Wasser?“ oder „Welchen Kampf führen Donau und Rhein?“
Aber auch als Spazierweg ist der Abschnitt zwischen Immendingen und Möhringen geeignet. Hier ein paar Impressionen des einmaligen Flussabschnittes mit der Donauversickerung:
Das ist weder der Donauradweg noch ein Donauwanderweg, sondern das Flussbett der Donau in Möhringen. Vom Parkplatz am Eisenbahnviadukt zwischen Tuttlingen-Möhringen und Hattingen kann man direkt in das Flussbett der Donau einsteigen – falls sie versickert ist.
Richtung Immendingen begegnet man in der untergehenden Sonne kräftig-grünen Schilfgräsern. Üblicherweise stehen sie unter Wasser. Die vertrockneten Halme in den Uferbüschen verratenden Wasserstand der Donau ohne Donauversickerung.
Der Tau auf den Gräsern ist quasi der Bettnässer in der trockenen Donau. Ohne Zweifel gehört die Donauversickerung auch zu den Donauperlen an der Jungen Donau, die durch blaue Robinien-Stämme optisch miteinander verbunden werden.
Zwischen Frühjahr und Herbst findet man viele durstige Schlucklöcher am Rand des Flussbettes. Das fehlende Wasser macht sie zu kleinen Dolinen, die den typischen Kältesog entwickeln. Die Blätter werden trotz herbstlich-warmer Temperaturen mit einer Frostschicht überzogen. Und das Wasser steht, kein Fluss!
Am Übergang vom fließenden zum stehenden Wasser hat sich das Treibholz zu einem kleinen Damm aufgetürmt.
Humorige Folgen der Donauversickerung
Obwohl die Donauversickerung zweifelsohne ein halbwegs wissenschaftlich erfasstes geologisches Phänomen darstellt, bleibt sie nicht ohne Folgen für das Zusammenleben der Menschen. Glücklicherweise gibt es heute fast keine handfesten Streitereien mehr um das Donauwasser. Heute ranken sich eher halbwahre und humorvolle Halbmythen um die Donauversickerung.
Das passiert auch, weil die europäische Wasserscheide zwischen Rhein und Donau zusammenfällt mit der Grenzregion zwischen den früheren Staatsgebieten des Großherzogtums Baden und des Königreichs Württemberg. So heißt es bis heute im Tuttlinger Stadtteil Möhringen, dass die Donau „nur deshalb versickert, damit sie nicht ins Württembergische fließen muss“.
Quellenstreit vor und nach der Versickerung
Und auch über die „eigentliche Quelle“ wird fleißig gestritten – schon vor der Donauversickerung – oder genau genommen schon vor der Quelle selbst. Denn sie ist nach dem Donaubach in Donaueschingen benannt, wo auch die offizielle Quelle steht.
In Furtwangen hingegen sieht man die eigentliche Donauquelle, da dort die Breg als größter Zufluss bis zur Benamsung am Zusammenfluss von Brigach und Breg entspringt. Das geologische Argument, wonach der Fluss nach dem wasserstärksten ursprünglichen Zufluss benannt werden soll, zieht also nicht. Wäre dem so, müsste sie spätestens in Passau Inn heißen.
Und überhaupt: wenn die komplette Donauversickerung schon länger als ein halbes Jahr dauert, müsste dann nicht der erste Quellzufluss nach dem trockenen Flussbett Namensgeber sein. Das wäre dann der Krähenbach in Möhringen. Die Donau müsste also Krähe heißen, so heißt aber lediglich der Tuttlinger Comedy-Preis.
Man stelle sich die Folgen vor: Geschichte müsste umgeschrieben werden. Das Habsburger Reich hieße plötzlich Krähenbachmonarchie. Es gibt sogar Stimmen, wohl ausgehend von der Wassermenge, wonach die Tuttlinger Kläranlage die eigentliche Donauquelle ist. Aber…
…wer lieber die anderen Facetten der Donaustadt entdecken will, kann sich von Tuttlingen überraschen lassen.
Frage,: woher kommt das Wasser das später als Donau wieder weiterfliesst?
Hallo Frau Höfer,
wenn es – wie im Sommer bei trockenem Flussbett – nicht aus der Donau selbst kommt, ist die nächste „natürliche Speisung“ der Krähenbach in Tuttlingen-Möhringen, anschließend die Elta in Tuttlingen sowie (meist ein bisschen spöttelnd formuliert) die Tuttlinger Kläranlage. So setzt sich das fort mit verschiedenen Bächen, kleinen Nebenflüssen und Regen- oder Schmelzwasser.
Die vorige Antwort stimmt nur zum Teil. Wenn etwa 300 m hinter Immendingen noch ein wenig Donauwasser fließt, dann wird dieses abgezweigt und durch einen ca. 1,5 km langen Bergstollen Richtung Nord/Osten bis kurz vor Möhringen in das Flussbett der Donau geleitet. Erst später in Möhringen selbst kommt als weiteres der Krähenbach hinzu. Demnach ist meistens immer noch originales Donauwasser enthalten.