Am Anfang des Buches „Oberschwaben“ steht wenig überraschend das Inhaltsverzeichnis. Das ist insofern bemerkenswert, als das ganze Buch des freien Fernsehredakteurs Jochen Schmid ein einziges Inhaltsverzeichnis ist.
Jochen Schmid offenbart gewissermaßen im SMS-Stil eines barocken Münsters das schöne Oberschwaben: Stuck für Stuck. In kurzen Nachrichten zeigt er die Vielfalt und Pracht des Landstriches zwischen Ulm und Friedrichshafen, und zwischen Meßkirch und Bad Grönenbach.
In dieser Raute entfaltet seine Schreibe die Not der Entscheidung im begrenzten Platz für „66 Lieblingsplätze und 11 Köche“, wie die Reihe der Regionalführer im Gmeiner-Verlag heißt. „Oberschwaben verzaubert“, bekennt der Autor unverhohlen ohne sich der Frage zu entziehen, was denn Oberschwaben überhaupt bedeutet.
Zur Historie passt der Kurzprosastil, denn die Gegend war früher ein Fleckerlteppich adeliger Ländereien. Suevia superior definierten die Habsburger im 13. Jahrhundert den Landstrich zwischen Lech und Schwarzwald. Dem einen zu eng, dem anderen zu weit definiert, weiß man heute:
Es handelt sich um eine Raumschaft, zu der auch diejenigen querdenkenden Traditionalisten gehören wollen, deren Zugehörigkeit nicht wirklich gesichert ist. Ob sich ein badischer Meßkircher Oberschwabe nennen lässt? Oder eine allgäuerische Grönenbacherin? Man will es besser gar nicht so genau wissen.
Auf dieser wankenden Bodenständigkeit entfaltet sich viel Spielraum für das persönliche Verständnis. Jochen Schmid nutzt dies frisch, fromm, fröhlich, frei für seine ganz subjektive Auswahl der Lieblingsplätze. Und die haben etwas zu bieten.
Da erfährt man, was Amerika mit Waldburg zu tun hat, Weingarten mit dem Petersdom, Bad Saulgau mit dem Film-Oscar, Meßkirch mit Motorölinfektionen, Riedlingen mit der australischen Feuerwehr und vielerlei anderer Weltläufigkeiten eines ehemals hinterwäldlerisch verschrienen Kulturraums.
Das Buch überzeugt auch durch seine reiche Illustration. Unkompliziert eindrücklich zeigt sich die Fülle Oberschwabens in der großflächigen Bebilderung des Taschenbuchs. Mal als Industriefotografie, mal in privatimen Ausschnitten durchblättert der Leser ein Panoptikum aus Landschaften, Architekturen, Kunstschätzen, Brauchtümern, Produkten und nicht zuletzt fröhlicher Gesichter.
Jochen Schmid: Oberschwaben in den Topf geguckt
Eine Geist-Leib-Einheit braucht nicht nur kulturelle Nahrung. Die elf vorgestellten Köche, zeigen großes Können zwischen moderner Gastronomie und Heimatverbundenheit. Auch wenn so mancher liebgewordener Landgasthof vor der drohenden Schließung steht, sei hier exemplarisch für alle Gastronomien festgestellt:
Die Kleber Post ist tot, es lebe die Kleber Post. Die ehemalige Poststation, die auch am Wegesrand der Geist-Politik-Trias Helmut Kohl – François Mitterand – Ernst Jünger lag, existiert nicht mehr. Heute, nach dem Wiederaufbau bietet Egon-Michael Durach seinen Gästen eine Begegnung „traditioneller heimischer Küche mit internationalem, avantgardistischem Flair“, berichtet der Autor.
Nicht ganz so präsidial-frankophil geprägt, aber nicht minder verwurzelt gibt es den Oberschwaben-Besuchern zehn weitere Lieblingsköche an die Hand. Kurzum: ein schmackhafter Reiseführer – auch für Einheimische.
Jochen Schmid: Oberschwaben
66 Lieblingsplätze und 11 Köche
192 Seiten, ca. 80 Abbildungen
Paperback, 12 x 20 cm
Erschienen: September 2011
Meßkirch, Gmeiner-Verlag
ISBN 978-3-8392-1162-5
14,90 €
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