Um den Kult der Kelten weht häufig ein magischer Nebel, der die Phantasie herausfordert – und manchmal auch überspannt. Wesentliche Ursache für diese Diffusionen ist die Überlieferung der Kelten selbst. Denn sie hatten keine Schriftkultur, sie waren keine bestimmte Ethnie und sie waren religiös.
Der sensationelle Fund des keltischen Fürstinnengrabes in der Nähe der Heuneburg und die Keltenkonzeption des Landes-Baden-Württemberg haben dem Kult der Kelten in den vergangenen zehn Jahren neue Aktualität verschafft, die das Archäologische Landesmusuem in Konstanz auf wissenschaftlicher Basis präsentierte.
„Magisches Land. Kult der Kelten in Baden-Württemberg“ im ALM Konstanz
Obwohl der politische Rahmen hier kein Thema sein soll, muss man festhalten, dass die Konzentration der Konstanzer Kelten-Ausstellung auf das Land Baden-Württemberg nicht nur ein Resultat von Zuständigkeiten ist. Vielmehr gibt es in Baden-Württemberg eine auffällig hohe Verdichtung aus vielen hundert Kelten-Stätten, die teils noch gar nicht ans Tageslicht gekommen sind.
Die hohe Dichte hat ihre Ursache darin, dass im heute schwäbisch-alemannischen Gebiet das Kernland der Kelten war. Fünf dieser Kelten-Orte wurde im Rahmen der Keltenkonzeption eine vorrangige Stellung eingeräumt. Sie sollen Baden-Württemberg zum Kelten-Land machen und damit auch ein touristisches Bildungsangebot schaffen.
Wer waren die Kelten?
Wie eingangs bereits erwähnt, handelt es sich bei den Kelten nicht um eine Ethnie. Wegen ihrer Verbreitung von den britischen Inseln bis zum Schwarzen Meer und von den Mittelgebirgen bis in den Mittelmeerraum könnte man sie als eine Art Ur-Europäer interpretieren.
Ihre Existenz wird zeitlich in zwei Epochen unterteilt: die Hallstatt- und die Latène-Zeit. Die Ausstellung „Magisches Land“ im Archäologischen Landesmuseum Konstanz greift beide Phasen im Kult der Kelten auf.
Kurator Felix Hillgruber betont, dass man sich Sein oder Nichtsein der Kelten nicht als plötzliches und großflächiges Massensterben vorstellen sollte, an deren Stelle dann Römer, Germanen, Sueben, Bretonen, Iren oder Galater traten. Vielmehr fand ein langwieriger Prozess mit Vermischungen und kulturellem Wandel unter den einzelnen Völkern statt, der jedoch auf dem zentraleuropäischen Kontinent anders wirkte als auf der irischen Insel.
Naturreligion: Götter, Kopfsachen und Opfer
In der keltischen Religion waren Kulte immer stark an die umliegenden Landschaften gebunden. Dies konnte im Kleinen geschehen, wie am Heidentor in Egesheim oder weitläufige Areale umfassen wie um die Heuneburg bei Herbertingen, in deren Kult das Plateau auf der Alte Burg, der Zeugenberg Bussen oder Gutshöfe und Gräber im Donautal einbezogen waren.
Die keltische Religion hat neben der Naturnähe und räumlichen Kultivierung in Landschaftsformationen weitere charakteristische Elemente. Die Affinität zur Wäldern und Mooren, die auch in der Ausstattung der Ausstellung „Magisches Land“ berücksichtigt wurde, hat dabei geholfen, auch nach über 2000 Jahren beeindruckende Funde zu machen.
Die Bestattungskulte für ranghohe Sippenmitglieder sind häufig bis heute in Form der keltischen Grabhügel deutlich im Landschaftsbild zu erkennen. Viele der Hügel wurden in jüngster Zeit durch die moderne Landwirtschaft komplett eingeebnet.
In aller Regel darf man aber davon ausgehen, dass es dort Grabkammern gab, auch wenn diese nicht immer, gerade in den Anfängen archäologischer Grabungen in den letzten Jahrhunderten, gefunden wurden.
Neben den menschlichen und tierischen Kultfiguren spielte Kopfschmuck im keltischen Kult eine gewichtige Rolle. Dies gilt für Alltagsgegenstände gleichermaßen wie für menschliche Rangordnungen oder Götterdarstellungen. Ob Bevorzugung von Tieren mit Hörnern, hornähnliche Kronen, Helme oder Schleier: Rang und Name scheinen Kopfsache gewesen zu sein.
Opferkultur zwischen Alltagsgaben und Menschenopfern
Wie in anderen Religonen auch, gehörten Opfer zum Kult der Kelten. Dies konnten kleine, symbolische Opfer in eigens dafür geschaffenen, alltagsuntauglichen Mini-Gefäßen sein oder auch größere eigens hergestellte Gegenstände. So wurden beispielsweise Schwerter gefunden, die als Waffe im Kampf überhaupt nicht geeignet waren.
Zum Kult gehörten auch Menschenopfer, bei denen es alles andere als zimperlich zuging. So belegt ein Unterkiefer, dass die Zähne oberhalb der Wurzeln herausgeschlagen wurden – bei lebendigem Leib? In einem Schacht auf dem Kultbereich der Alte Burg in Langenenslingen wurden auch mehrere Leichname entdeckt. Wer wollte da Gottheit sein?
Immer wieder kommt die Frage auf, ob Kelten auch Christen waren. Klare Antwort: Nein! Denn die keltische Religion war polytheistisch mit Göttergestalten. Ebenso wurden Geschirr, Lebensmittel und auch Menschen geopfert.
Historisch gesehen verschwanden die Kelten um Christi Geburt, während die Christianisierung Europas erst mit der paulinischen Heiden-Mission im Mittelmeerraum ab ca. 50 n.Chr. einsetzte.
Innovativ: Kelten zwischen Originalen und Animationen
Bei der Kelten-Ausstellung in Konstanz handelt es sich nicht um eine Aneinanderreihung verstaubter Fundstücke, sondern um eine erzählerische Interpretation der Kultur basierend auf Erkenntnissen unserer Zeit mit multimedialen Mitteln. Kurator Felix Hillgruber hat gut daran getan, die Räume mit einer Bühnenbildnerin und einem Landschaftsfotografen auszustatten. Dadurch wurden der Bezug zu Landschaften und figürliche Gestaltung möglich.
Eigentlich handelt es sich bei der Austellung mehr um eine Installation, denn die gesamten Räume wurden komplett ausgestaltet. So soll der Bodenbelag das Gefühl eines Waldbodens an Mooren auslösen, um die Affinität der Kelten zu diesem Landschaftselement auszudrücken. In diesem für das heutige Baden-Württemberg typischen Formationen werden Händler, Krieger, Fürstinnen, Matronen oder Druiden vorgestellt.
Fazit: Zwischen Verklärung und Naturliebe
Die Ausstellung „Magisches Land“ verschafft grundlegende Einblicke in die keltische Kultur. Sie ist Teil der Keltenkonzeption des Landes Baden-Württemberg. „Hauptziel der Keltenkonzeption des Landes ist, das reiche Erbe, das die Kelten in unserem Land hinterlassen haben, sichtbar und erfahrbar zu machen“, so Staatssekretärin Petra Olschewski.
Einsichten zum Erbe der keltischen Kultur aus „Magisches Land“ sind zwiespältig und zugleich vorbildlich. Einerseits überliefern die Kelten Potentiale zu einem nicht an Ethnien orientierten Verständis von Kultur in Europa, andererseits wird ihre Religion sowohl in einer säkularisierten Welt als auch in monotheistischen Religionen mehr als befremdlich bleiben, die Menschenopfer werdenheute als lebensfeindlich eingordnet.
Den Archäologen in Konstanz ist es gelungen, wissenschaftlich evidente Einsichten in eine Ästhetik zu verwandeln, die zwar notgedrungen auch subjektiv bleiben muss, aber zugleich eine spannende Vermittlung von Erkenntnissen ermöglicht und so verschrobenen Vorstellungen der keltischen Kultur Handfestes entgegen setzt.
Das Archäologische Landesmuseum in Konstanz
Das Archäologische Landesmuseum in Konstanz ist immer einen Besuch wert. Es ist im ehemaligen Kloster Petershausen am Benediktinerplatz untergebracht, wo es auch ein Parkhaus gibt. Die Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag und feiertags: 10 bis 18 Uhr, 1. Samstag im Monat: Freier Eintritt in die Dauerausstellung
Montag: geschlossen
Lesetipp: Das ALM macht auch immer wieder mit ihrer Reihe „Archäologie und Playmobil“ auf sich aufmerksam. Eindrücke über den Besuch mit Kindern im archäologischen Landesmuseum.
Transparenz: Die Recherchen für diesen Post über den Kult der Kelten wurden durch eine Presse-Einladung des Archäologischen Landesmuseums in Konstanz unterstützt. Einige Details wurden Anfang Januar 2023 aktualisiert.