Foto: © Wolfgang Veeser / Gmeiner Verlag
Im Pfrunger-Burgweiler Ried geht es um Moor. Seit 2002 wurde es im Naturschutz-Großprojekt wiedervernässt, heute wird eine vielseitiges Nutzungskonzept für Bildung und Tourismus erarbeitet. In ihrem Bild-/Textband „Pfrunger-Burgweiler Ried“ öffnen der Fotograf Wolfgang Veeser und der Schriftsteller Arnold Stadler jedoch einen anderen, zusätzlichen Blickwinkel.
Ihnen geht es darum, offenen Auges ein Lied aufs Ried zu singen. Dies weder als Ort nebulöser Geschichten noch als Krimikulisse. Erst recht geht es nicht um eine „schaurige Fotosteckenballade“, sondern um das „faszinierend oszillierende Leben, in dem sich das Helle und das Dunkle die Waage halten“. Der Protagonist ist das Licht. Es führt Fotograf, Schriftsteller und Leser zusammen.
Das Pfrunger-Burgweiler Ried: Naturkultur im Hier
Das Hantieren mit Licht und Landschaft erinnert schnell an Impressionismus und tatsächlich geht es um Impressionen. Arnold Stadler stellt Wolfgang Veeser auch als einen Fotografen im Range der großen Plein Air-Maler vor. Und tatsächlich: in den Bildern von Wolfgang Veeser wird das Ried beharrlich in einer faszinierenden Vielfalt aus durchleuchtetem Leben nachgezeichnet.
Zwischen Wildwuchs und Kulturlandschaft lasieren sich die Farben zum Loblied zwischen Natur und Kunst. Im Wechsel der Tages- und Jahreszeiten, der Wetterlagen und der Artenvielfalt orchestriert sich farbenreich der Kreislauf des Lebens zwischen Aufgang und Agonie. Im Reichtum des Bunten schaut man auch gebannt auf das Schwarz-Weiß der Birkenwälder.
Ins Ende der Welt
Arnold Stadler weiß mit geistvoller Geißelung die Leserdenke zu lenken: es geht in diesem Buch nicht um Landschaftsfotografie als mediale Extremsportart, es geht um Stille. Um die Stille im Motiv und die Stille des Betrachters. Diese Veratmung des Pfrunger-Burgweiler Ried führt in doppelter Weise zum Ende der Welt: zum einen existiert es sowieso nur noch überall, zum anderen stellt die Strahlkraft der Bilder die Frage in den Raum, ob hier nicht schon etwas ganz Anderes anfängt. Arnold Stadler nimmt den Leser an die Hand und schubst ihn auf die Substanz der Veeserschen Landschaften. Hier dominieren weder Outdoor-Aktivisten noch Outdoor-Ökoenergie, hier kehrt man in etwas ein.
Die zahlreichen Pflanzen- und Tieraufnahmen sind auch keine Dokumentation der ansässigen Flora und Fauna (das fällt nebenbei ab), sondern eine Bestandsaufnahme des Lebens. Auch wenn das Interesse an der Darstellung naturschützerischer und touristischer Services nachvollziehbar ist, wirft sie ein wenig die Frage auf, ob sie der ästhetischen Verdichtung abträglich ist. Aber es macht Freude, beim Lesen und Schauen mitzuschwingen in den textlichen und visuellen Gedankengängen der beiden Autoren.
Die hochwertige Ausstattung des Bandes tut das ihrige dazu. Das Buch wird auf jeden Fall den Lesern, die noch nicht im Pfrunger-Burgweiler Ried waren, genauso viel geben können wie den Lesern, die es schon kennengelernt haben. Und weil der Rezensent demonstrieren muss, dass er etwas kapiert hat, verweigere ich die Outdoor-Ökonomie-Kaufempfehlung im Heimat-Geschenkestrudel einschlägiger Festanlässe. Obwohl, mit Weihnachten beginnt ja wieder das Gastsein des Anderen bis zum Ende der Welt. Passt vielleicht doch?
Arnold Stadler, Wolfgang Veeser
Pfrunger-Burgweiler Ried
144 S. / 23 x 22 cm / Gebunden
Oktober 2015
ISBN 978-3-8392-1805-1
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