Gastbeitrag von Romy Mlinzk
Der Dreiklang aus Stahl, Kohle und Bier ist zur kulturell vielfätigen Oase geworden.
Industrielandschaft: stinkend, rauchend. Schornsteine, bei denen man am besten keine weiße Wäsche auf die Leine vor das Haus hängt. Dreiklang aus Stahl, Kohle und Bier. Daran denken auch heute noch viele Menschen, wenn sie Ruhrgebiet hören. Doch mit Prosper-Haniel schloss 2018 die letzte Zeche und bereits seit den 1990er Jahren wandelt sich die Gegend zwischen Dinslaken, Duisburg und Dortmund stetig.
Das Ruhrgebiet ist zu einer grünen und kulturell vielfältigen Oase geworden. Die Emscher wurde fast vollständig renaturiert, der Ruhrschnellweg für Radfahrer verbindet mittlerweile viele Orte miteinander und wird weiter ausgebaut. Viele Halden, eigentlich Dreck- und Schutthaufen, sind heute wahre Tourismus-Attraktionen. Das Ruhrgebiet hat die Halden und seine Skulpturen sogar zu einer eigenen Kunstart erhoben.
Die Halden des Ruhrgebiets – Landmarken mit Aussicht
Bekanntheit haben diese verschiedenen Halden, die über das gesamte Ruhrgebiet verstreut und meist auch nicht immer so trivial zu erreichen sind, auch durch Instagram erlangt. Allen voran sicherlich die achterbahnartige und begehbare Skulptur Tiger & Turtle im Duisburger Süden. Besonders spannend ist das Bauwerk bei dramatischem Wetter oder zur Abenddämmerung, wenn es beleuchtet wird.
Doch auch andere Halden haben schöne Skulpturen! Das Geleucht Grubenlampe in Moers ist besonders schön und sehenswert. Eine überdimensionale rote Grubenlampe, die hoch oben auf der Haldenspitze thront. Das Ruhrgebiet hat viel zu bieten.
Einen Ausflug wert ist auch der Tetraeder, offiziell Haldenereignis Emscherblick, in Bottrop. Auf der Halde Beckstraße steht dieses ebenfalls sehr bekannte Haldenbauwerk. Der Tetraeder, eine geometrische, räumliche Figur, die mir aus meinem Chemiestudium nur allzu vertraut ist, ist etwa 60 Meter hoch und wie Tiger & Turtle begehbar. Insgesamt drei Aussichtsplattformen auf verschiedenen Höhen bieten Dir als Besucher jede Menge Ausblick – solange Du höhentauglich bist.
Am östlichen Rand des Ruhrgebiets liegt die Halde Sundern am Stadtrand von Hamm (Westfalen). Auf ihr ist ein orangefarbenes Haldenzeichen gut sichtbar im jetzigen Lippepark errichtet worden. Eine gut 10 m hohe begehbare Spirale aus Stahl. Insgesamt sollen fünf dieser Haldenzeichen nach und nach errichtet werden.
Alte Hütten im neuen Glanz
Doch nicht nur Haldenskulpturen laden ein, die industrielle Vergangenheit zu entdecken und auch Neues in ihr zu erleben. Zum Beispiel der Landschaftspark Nord in Duisburg ist heute mit seinen ca. 180 Hektar einer der besten Stadtparks der Welt (laut Zeitschrift The Guardian). Es ist ein Spielplatz für Groß und Klein. Das stillgelegte Hüttenwerk ist ein wunderbares Fotomotiv Tag und Nacht. Kulturell wird es u.a. für Musikfestivals genutzt. Der Gasometer ist mit Wasser gefüllt und ein Tauchparadies. Es gibt einen alpinen Klettergarten und in der Gießhalle von Hochofen 2 kann ein Höhenkletterparcours bezwungen werden.
In Hattingen kann auch ein ehemaliges Hüttenwerk besichtigt werden. Die Henrichshütte ist heute eines von acht dezentralen Standorten des LWL-Industriemuseums (Westfälische Landesmuseen für Industriekultur) und mir eines der liebsten Museen dieser Art. Das großzügige Gelände bietet sicherlich für jeden etwas, auch für Kinder. Der Hochofen ist begehbar und bietet eine großartige Aussicht über das Gelände.
Zechen mit Weltkultur
Das schönste Zechengelände für mich aber ist Zeche Zollern II/IV in Dortmund-Bövinghausen. Das stillgelegte Steinkohlebergwerk war eine Musterzeche und die Gebäude somit architektonisch besonders schön. Bemerkenswert ist das Portal sowie die Fenster der Maschinenhalle im Jugendstil. Das Fördergerüst ist begehbar und bietet auch hier eine beeindruckende Aussicht.
Die bekannteste Zeche ist aber sicherlich Zeche Zollverein in Essen. Zollverein ist seit 2001 UNESCO-Weltkulturerbe und wird gerne als „Eiffelturm des Ruhrgebiets“ beschrieben. Das großzügige Gelände eignet sich super für lange Spaziergänge und Wanderungen, aber auch Fahrradtouren oder Ausflüge mit Rollschuhen, Inline-Skates oder Skateboard. Dazu lädt das Ruhr-Museum in der ehemaligen Kohlenwäsche mit seiner Ausstellung zu einem Besuch ein. Allein die Rolltreppen hinauf sind schon ein Highlight.
Auch die etwas abseits gelegene Kokerei Zollverein lohnt einen Besuch und bietet einige schöne Fotomotive. Ist meist etwas ruhiger als das Hauptareal der bekannten und beliebten Zeche.
Noch mehr Industriekultur
Ein besonderer Punkt auf Reise durch das Ruhrgebiet ist für mich der Gasometer in Oberhausen. Es ist mittlerweile die höchste Ausstellungs- und Veranstaltungshalle Europas. Hier finden regelmäßige spannende Ausstellungen statt. Christo und seine Frau Jeanne-Claude nutzen den Gasometer übrigens zweimal für ihre Kunstprojekte. Fahr auch mit dem Aufzug hoch. Das Dach auf 117 m ist begehbar und der Blick über den Rhein-Herne-Kanal ist lohnend.
Wenn bei Ebbe anner Emscher die Winde wehn
Lieber auffem Gasometer im Sturmesbrausen
Und alles, watte siehst, is Oberhausen
(„Oberhausen“, Song der Gruppe Missfits)
Es gibt noch mehr Industriekultur im Ruhrgebiet zu entdecken. Folge einfach der Europäischen Route der Industriekultur bzw. der Route der Industriekultur der Regionalverbands Ruhr, die Dich vorbei an Zechen, Museen, Häfen, Hütten, aber auch an der Villa Hügel, dem ehemaligen Wohnhaus der Industriellenfamilie Krupp, führt. Von diesen Ankerpunken aus können zahlreiche Themenrouten erschlossen werden, die über 900 Industrie- und Technikdenkmäler umfassen. Also viel zu entdecken im Ruhrgebiet!
Zu Romy und ihrem Blog
In Romys Blog https://snoopsmaus.de gibt es weitere Reiseinspirationen zur Verbindung von Kultur und Reisen. Eine Inspirationsquelle für Menschen ohne Kinder, die dem Backpacking entwachsen, aber offen für Abenteuer sind. Hier trifft Luxus auf Rafting, Wellness auf unendliche Weiten und Kultur auf einsame Landschaften. Dazu kommt Romys heimliche Leidenschaft für Poutine (kanadisches Fast Food).