„Bier unser“ klingt für ein Buch über Bier, Brauereien und Bierkultur recht geistvoll. Wir haben reingeschaut und können sagen: das ist es auch.
Mareike Hasenbecks „Bier unser“ ist hochwertig ausgestattet: großzügig im Format 25 x 28 cm, aufwendig illustriert und elegant im matten Dunkel. Das haptisch voluminöse Papier im Innenteil ist Bühne für stilvolle Typografie und nicht minder hochwertige Fotografien, die professionell gestaltet sind und durch ihre Ästhetik überzeugen.
Auch das Renommée der Biersommelière Mareike Hasenbeck und des profilierten Lifestyle-Verlages Callwey passen zur kompletten Qualität des gewichtigen Buches. Die Autorin beginnt ihr Vorwort mit einem Satz, der Dilemma, Thema und Motivation dieses Buches vorwegnimmt: „Jahrzehntelang befand sich die deutsche Brauindustrie in einem Dämmerschlaf, begleitet von Brauereisterben und sinkendem Bierkonsum.“
Dass weniger Bier getrunken wird (wegen des Alkoholgehaltes) und seit Anfang des 20. Jahrhunderts ein Brauereisterben herrscht (wegen sinkenden Konsums und Globalisierung) sind eigentlich Allgemeinplätze. Doch beim Dämmerschlaf kommen genau die Fragen auf, auf die das Buch einige Antworten geben will:
Welchen Brauereien hat denn jetzt genau was gedämmert, damit ein Aufwachen möglich wurde? Mit welchen kreativen Mitteln begegnen Brauer dem „Untergang“? Und was bedeutet genussfreudige Bierkultur außer das Saufen zu legitimieren?
Bier unser ist unser Bier
Sensorik und Braukunst sind Trumpf in „Bier unser“. Deshalb gehören rund drei Viertel des Buches 20 Kreativbrauereien, die in ihren Eigenheiten und Geschichten vorgestellt werden. Der Einstieg beginnt jedoch mit den Schlüsselphasen des Wandels von langweiligen Standardbieren aus Massenproduktion hin zu Kreativsuden aus kleineren, teils traditionellen, handwerklichen Brauereien in ganz Deutschland.
Die Craft Beer Welle in Amerika kam mit dem 500jährigen Jubiläum des Reinheitsgebotes 2016 auch nach Mitteleuropa und löste das eine oder andere Beben auf dem Markt aus. Mareike Hasenbeck hatte ihr Schlüsselerlebnis bereits 2012 und initiierte mit ihrem Blog feinerhopfen.com die neue Liebe zum Bier mit. Ihr Buch beginnt etwas überraschend, aber eigentlich logisch mit Home Brewing, aus dem die Craft Beer Welle überhaupt erst entstanden ist. Wichtige Tipps für Hobbybrauer zeigen, dass Bier ein Volksgetränk für die Küche oder auch den Stall ist.
Wege in den Bierhimmel
Es liegt in der Natur der Sache, dass nur ausgewählte Brauereien porträtiert werden, die dann aber verlässlich zu den Braustars in ganz Deutschland gehören. Darunter sind exemplarisch auch zwei Brauereien, die Unterschiede zwischen einem mittelständischen Industriebetrieb und professioneller Mikrobrauerei offen legen. Die Rede ist von Giesinger Bräu in München und von der Braumanufaktur Hertl in Schlüsselfeld. Was beide hingegen eint, ist offenkundig die Liebe zu handbemalten Betriebstoren.
Als sich Steffen Marx mit etwa 30 Jahren „doch entschloss, zu arbeiten“, war der Aufstieg von der Giesinger Garagen-Brauerei zur zweitgrößten privaten und offiziell anerkannten „Münchner Brauerei“ vorbestimmt. Seine Geschichte vereint Kreativität beim Brauen, Branden, Bloggeraffinität und Beschaffung von Kapital, das er in nicht geringem Anteil über Crowdfunding von seinen Fans akquirierte. Sein Sortiment aus identifizierbaren Standardsorten und extravaganten Craft Beer Stilen öffnet ihm als Münchner Brauerei die Tore auf die Theresienwiese, auf die er aktuell noch gar nicht will.
Auch David Hertl gehört zu den schillernden Figuren der Brauerei-Szene und ist bekannt für seine quirlige Selbstdarstellung. Im Schweinestall fing alles an und im Mittelpunkt seiner Braumanuktur steht seine fränkische Familie. Neben Standardsorten bietet er auch abgefahrene Experimente an, unter denen die Gurken Gose das Schlüsselfeld unter „alkoholhaltigen Salaten“ einnimmt. Sie deutet nicht nur auf seine Affinität zu Craft Bieren, sondern auch auf Gin, den er mit Hopfen versetzt anbietet und zu dem David auch gleich ein Tonic kreiert hat.
Das Buch findet seinen Abschluss im edlen Service-Teil, der eine kleine Bierstilkunde, Archaisches zur dubiosen Rolle des Reinheitsgebotes, Stammtischweisheiten und Biermythen, Gläserkunde, zu Zutaten und last but not least jede Menge Adressen von Verkostungs-Hotspots und 50 weiteren Kreativbrauereien enthält.
Fazit: Bier unser, dein Reich komme
In „Bier unser“ ist Mareike Hasenbeck mit ihren Fotografinnen und Fotografen eine ausdrucksstarke Liaison aus Biergeschichte(n) und Bilderbuch gelungen, in dem die Stimmung der Craft Beer Szene in Deutschland treffend eingefangen wird. Spannende Geschichten und Knowhow machen das Buch über zum inspirierenden Lesebuch für zu Hause und auch zum Helfer bei der Reiseplanung, schließlich sind Brauereien unterwegs nicht die schlechtesten Anlaufziele.
Auf den ersten Blick kommt der Preis von 45.- Euro für in „Bier unser“ mächtig daher. Doch die journalistische Qualität, die professionellen Fotos, das große Format, die hochwertige Herstellung und die aktuelle Situation auf dem Papiermarkt rechtfertigen (oder erzwingen sogar) einen solchen Preis.
Mareike Hasenbeck: Bier unser
Callwey-Verlag, München, Erstauflage (14. März 2023), Hardcover, 25.6 x 2.1 x 28.4 cm, 208 Seiten, ISBN 978-3-7667-2621-6, Preis 45,- Euro
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