Die schönsten Kapellen im Pfaffenwinkel zeigen die Gedenktraditionen der Menschen im oberbayerischen Voralpenland.
- Bei welcher Gelegenheit zu den Kapellen im Pfaffenwinkel?
- 955: die Kreuzberg-Kapelle in Wessobrunn, Märtyrerstätte während der Magyaren-Kriege
- 1150: die versetzte St. Johannes-Kapelle in Steingaden, Kreuzzug-Gedenken und Grablege
- 1480: St. Wendelin in Bernbeuren, Bauernkapelle mit Reiterprozession
- 1611: in St. Michael in Schweiber mahnt der Erzengel zu Gerechtigkeit
- 1701: die Heuwinklkapelle in Iffeldorf ist marianischer Wallfahrtsort
- 1843: St. Sebastian in Nussberg, Symbol der Volksfrömmigkeit
- 1865/66: die Hart-Kapelle in Wielenbach, oder: als ein mysteriöser Hirte zum Richter wurde
- Fazit: Kapellen im Pfaffenwinkel sind ein lohnendes Ziel
Gerade im ländlichen Raum Oberbayerns und anderen katholischen Regionen finden sich immer noch zahlreiche kleine Kirchen, die teilweise auf private Glaubensbekenntnisse zurückgehen. Das gilt auch für die Kapellen im Pfaffenwinkel. Über die Jahrhunderte sind so in der Region zwischen Lech und Loisach viele geistliche Kleinode entstanden, in denen eine ländlich geprägte Verehrung gepflegt wird. Solche Kapellen sind immer wieder auch beeindruckende Zeugen ihrer Zeit.
Bei welcher Gelegenheit zu den Kapellen im Pfaffenwinkel?
Zu den Gedenken, mit denen Kapellen im Pfaffenwinkel Menschen anziehen, gehören unterschiedlichste Anlässe und Motivationen. Die einen sind Wallfahrtsziele, andere liegen an Pilgerwegen, wie zum Beispiel dem Münchner Jakobsweg. Speziell im Pfaffenwinkel gibt es geistliche Rundwanderungen. „Pilgern dahoam“, lautet das Motto in der Heiligen Landschaft. Aber auch die persönliche, individuelle Einkehr zu kleinen oder größeren besinnlichen Auszeiten vom Alltag wird immer beliebter.
Nicht ganz so fromm geht es bei Themen-, Wander-, Fern- und Radwegen zu. Doch auch sie führen immer wieder vorbei an den Kapellen im Pfaffenwinkel, von denen hier die schönsten gezeigt werden. Und es gibt auch Kapellen, die in erster Linie wegen ihrer geheimnisvollen Geschichten die Menschen anziehen. Die Reihung folgt der historischen Bedeutung, die teils bis ins erste Jahrtausend zurückführt.
955: die Kreuzberg-Kapelle in Wessobrunn, Märtyrerstätte während der Magyaren-Kriege
Sie steht ein wenig unscheinbar und doch unübersehbar am Rand der Straße von Wessobrunn nach Rott. Die Kreuzberg-Kapelle erinnert jedoch an die ältesten historischen Ereignisse, die den Pfaffenwinkel nachhaltig beeinflusst haben, nämlich an die Überfälle der Magyaren in der Mitte des 10. Jahrhunderts. Bestimmt habt Ihr schon mal von der Schlacht auf dem Lechfeld im August 955 gehört, als Kaiser Otto der Große gemeinsam mit dem heiligen Bischof Ulrich die Überfälle der damals nomadischen und berittenen Magyaren aus dem heutigen Ungarn zurückgedrängt haben.
Im Vorfeld dieser Schlacht gab es zahlreiche Plünderungen, dem auch das im 8. Jahrhundert errichtete Kloster Wessobrunn zum Opfer fiel. Der damalige Abt Thiento und sechs seiner Mitbrüder waren in diesen Jahren die letzten Verbliebenen im Kloster, bevor auch sie sich auf die Flucht begaben. Sie wollten nach Augsburg, wurden jedoch von den Magyaren an der Stelle der Kreuzberg-Kapelle abgefangen und ermordet. Als Tatort wird der „Hunnenstein“ bis heute ausgestellt. Bauern bestatteten die Mönche an Ort und Stelle.
Die Seligen von Wessobrunn
200 Jahre später wurden die Gräber und Reliquien ins neu erbaute Kloster Wessobrunn übertragen und ein Holzkreuz aufgestellt, das später durch eine Holzkapelle ersetzt wurde. Diese Geschichte trug ihr den Namen Kreuzberg-Kapelle ein. Im 16. Jahrhundert wurde eine Stein-Kapelle errichtet:
Im Jahre 1595 n. Chr. wurde dieses Heiligtum zu Ehren der sieben seligen Brüder, die von der Hand der Ungarn den Tod erlitten, erbaut vom 46. Abt Benedictus Schwarz.
Inschrift an der Ostwand der Kreuzberg-Kapelle, Wessobrunn
Die Kreuzbergkapelle in Wessobrunn ist einer der wichtigsten Verehrungsorte für die Seligen aus Wessobrunn, auch wenn diese in der Marienkapelle des Klosters bestattet sind. Der ursprünglich gotische Bau wurde im 18. Jahrhundert von der berühmten Wessobrunner Schule barockisiert.
1150: die versetzte St. Johannes-Kapelle in Steingaden, Kreuzzug-Gedenken und Grablege
Die meisten Gäste kommen nach Steingaden, um die bekannte Klosterkirche oder die Wieskirche zu besuchen. Doch zum Ensemble des Klosters gehört auch eine Johannes-Kapelle, die zwischen Torhaus und Klosterkirche an der Friedhofsmauer steht. Erbaut wurde sie – wie das Kloster – von Welf VI., der gegenüber dem Stauferkaiser Konrad III. und den aufstrebenden Babenbergern immer wieder seine Ansprüche durchsetzen musste.
Inspiriert ist der Rundbau Johannes-Kapelle durch die Grabeskirche in Jerusalem, was seiner Teilnahme am Zweiten Kreuzzug von 1147/48 geschuldet sein dürfte, die für Welf VI. mit seiner Weigerung verbunden war, Damaskus zu belagern. Das Jahr des Baus ist mit 1150 ein wenig spekulativ, um die Mitte des 12. Jahrhunderts liegt aber aufgrund der Umstände auf der Hand.
Die translozierte Kapelle
Die Johannes-Kapelle begleitet ein spektakulärer Umstand unter den Kapellen im Pfaffenwinkel: Ihr heutiger Standort ist nicht identisch mit dem ursprünglichen. 1511 wurde die Kapelle an die heutige Stelle versetzt (transloziert). Im damals neu entstandenen gotischen Kreuzgewölbe ist das Jahr im Schlussstein festgehalten. Der ursprüngliche Standort ist bis heute nicht bekannt.
Ein neoromanischer Altar bildet das Zentrum der Johanneskapelle
Gräfliche Grablege für die Eckbrecht von Dürckheim-Montmartin
Mitte des 19. Jahrhunderts wurde ein neues Kapitel in der Geschichte der Kapelle aufgeschlagen, als das pfälzisch-elsässische Adelsgeschlecht der Eckbrecht von Dürckheim-Montmartin 1853 die Kapelle erwarb und bis heute als Familiengruft nutzt. Einer der bekanntesten Vertreter dieses Hauses ist General Alfred Eckbrecht von Dürckheim-Montmartin, der Geflügeladjutant des bayerischen Märchenkönigs Ludwig II. war. Ausdruck dieser Umstände ist auch, dass die Johannes-Kapelle der Eckbrecht von Dürckheim-Montmartin an der Fernwanderroute „König-Ludwig-Weg“ liegt.
1480: St. Wendelin in Bernbeuren, Bauernkapelle mit Reiterprozession
Die St. Wendelin-Kapelle von Lechbruck gehört auch zu den ungewöhnlichen Kapellen im Pfaffenwinkel. Und das, obwohl sie im freien Feld zwischen mehreren Höfen einen sehr typischen Platz für eine Wendelins-Kapelle hat. Denn der heilige Wendelin ist ein sehr beliebter Bauern- und Hirtenpatron und solche Kapellen dienten oft auch als besinnlicher Unterstand bei schlechtem Wetter.
Doch zur Verehrung als Wendelins-Stätte kam es erst im 16. Jahrhundert. In Folge der Bauernaufstände in den Jahren um 1525 wurde die erste Kapelle zerstört. Anschließend verwandelten die Landwirte die neue Kapelle in ihrem Sinn. Davor war sie dem heiligen Jakobus geweiht. Solche Gebetsstätten lagen naturgemäß entlang des Jakobsweges. Es darf also mit einer gewissen Berechtigung angenommen werden, dass hier früher der Münchner Jakobsweg entlangführte, obwohl die heutige Route etwas nördlicher verläuft.
Wendelinsritt am Gedenktag um den 20. Oktober
Die Lechbrucker St. Wendelin-Kapelle gehört zu den wenigen, an denen am Wendelinstag eine Reiterprozession stattfindet. Wer also um den 20. Oktober am Sonntag danach in der Nähe ist, sollte sich dieses einmalige Brauchtums-Erlebnis nicht entgehen lassen. Neben den Tieren findet ein groß angelegter Gottesdienst vor der Kirche statt, der von einer Musikkapelle begleitet wird.
1611: in St. Michael in Schweiber mahnt der Erzengel zu Gerechtigkeit
Die St. Michael-Kapelle in Schweiber erreicht man in der Regel als Wanderer auf dem Rückweg vom Hohenpeißenberg. Auch wenn sie nicht in bestem Zustand ist, hat sie unter den Kapellen im Pfaffenwinkel eine der größten Ausdrucksstärke. Die Tafel weist darauf hin, dass es sich von Anfang an um eine private Kirche handelte:
Gott und seinem Schutzherrn, dem hl. Michael zu Lob und Ehr, hat der ehrbar Michael Schleich wohnhaft allhier auf der Schweiber und Agathe seine Hausfrau diese Kapelle auf ihre Kosten bauen und zurichten, den Altar schneiden und fassen lassen, 1611
Für eine private Kapelle ist sie recht komfortabel ausgestattet. Im Eingangsbereich steht ein Geisel-Heiland. Diese Verehrungstradition genießt im Pfaffenwinkel noch Popularität, wie die Vollendung im Patrozinium der Wieskirche zeigt.
Im Altarraum steht der heilige Erzengel Michael im Mittelpunkt, der uns mahnen soll, dass wir Menschen begrenzt und nicht frei von Fehlern sind. Nach seinem Vorbild gelingt das Leben durch das Abwägen von gut und böse.
1701: die Heuwinklkapelle in Iffeldorf ist marianischer Wallfahrtsort
Auf einer Anhöhe bei Iffeldorf an den Osterseen bei Penzberg steht die prächtige Heuwinklkapelle, die eigentlich St. Maria im Heuwinkl heißt. Sie gilt als eine der schönsten Kapellen im Pfaffenwinkel und ist der einzige Marien-Wallfahrtsort in dieser Reihung. Die hier verehrte Gottesmutter wurde während der Barockzeit „eingekleidet“. Ursprünglich stammte es wohl aus dem 16. Jahrhundert und war in der Pfarrkirche St. Vitus ausgestellt.
Als dort der Altar erneuert wurde, fand es vorübergehend einen Platz im Hohlraum eines Baumes, an dem immer mehr Gläubige beteten. So kam es zunächst zu einer Holzkapelle für die Heuwinkl-Madonna und 1698 wurde der Bau der jetzigen Steinkapelle begonnen. Der Einfluss des Klosters in Wessobrunn sorgte für eine hochwertige Schöpfung durch Johann Schmuzer, einem der bedeutendsten Vertreter der Wessobrunner Schule. 1701 wurde die Wallfahrtskapelle St. Maria im Heuwinkl geweiht. Ein großes Votivbild hält die Ereignisse bis heute in Bild und Inschrift fest:
Nachdem Anno 1698 auf gnedigster Licenz des Hochwirdigisten und Durchleichtigistigen Fürstens Und H.H. Alexandri Sigismundi Bischoffen zu Augspurg &c. &c. der Hochwirdige in gott Edle H. H. Virgilius des Lobl. Stüffts und Klosters Wessobruñ Abbt&c. den ersten Stein gelegt, als ist auch in dessen Hochen gegenwarth Año 1701 den 13. Sept. die Neue Capelln Von dem Hochwirdigen in gott Hochwohl gebohrnen H.H. Ioann Eustachio Egolpho freyhern von Westernach, Bischoffen zu Dioclen, des Hochfürstlichen Hochen Thumstiffts Augspurg Suffraganeo &c. Gott und Maria der wunderbahrlichen Mutter auch allen lieben Heiligen zu ehrn eingeweihet worden, bey Aßistierung A.A. R.R. D.D. Vdalrici Zeidler Not. Publ. Apost. Augustani P. Otmar O.S.Bend. Andrea Höck. & Dominici Mair Can. Habac. Matth. Koch par. Antorff. Vrbani. Swaiger par Iffldorf
Schrifttafel unter dem Votivbild in der Kapelle
Altes Marienbildnis und eigenes Wallfahrtslied
Die Wallfahrt wuchs weiter, so das der anfänglich quadratisch-runde Bau schon 1750 um die Sakristei und eine Vorhalle mit Glockenstuhl erweitert werden. Auch die Inneneinrichtung wuchs im Laufe der Jahre. Erweiterungen im Stuck – ebenfalls aus der Wessobrunner Schule durch Franz Edmund Doll – führten zur heutigen spätrokoko-artigen Ausstattung und machten das Marienheiligtum zu einer der bedeutendsten Kapellen im Pfaffenwinkel. Zur Frömmigkeit in St. Maria im Heuwinkl gehört auch ein eigenes Marienlied, das insbesondere zum Patrozinium am Sonntag nach Mariä Geburt (8. September) während einer Lichterprozession gesungen wird:
Bei Iffeldorf ein Kirchlein steht,
Darinnen ich am liebsten bet’.
|: Maria ist dort gar so gut,
Bei ihr wird mir so froh zumut. 😐Grüß Gott! sag ich, komm ich zu ihr,
Grüß Gott! sagt sie gar lieb zu mir,
|: Bei ihr ist’s mir als wär ich z’Haus
Und schau getrost in d’Welt hinaus. 😐O du Heuwinkler Mütterlein!
Bei dir möcht ich auf ewig sein;
|: Drum führe mich vom Erdental
Den steilen Weg zum Himmelssaal. 😐
1843: St. Sebastian in Nussberg, Symbol der Volksfrömmigkeit
St. Sebastian in Nussberg steht eher symbolisch für die privaten Kapellen im Pfaffenwinkel, wie sie häufig an größeren Höfen gebaut wurden und werden. Gerade auf der Gemarkung Seeshaupt stehen zahlreiche solcher Hofkapellen. Sie hatten häufig nicht nur eine religiöse Funktion, sondern dienten auch als Unterstand während der Feldarbeit bei schlechtem Wetter. Auch Pilger und Wanderer haben diese Option, wenn sie im Pfaffenwinkel unterwegs sind.
Als Jahr für die Erbauung der Sebastians-Kapelle wird 1843 angegeben. Ein Blick ins Innere verrät aber auch, dass der Altar offensichtlich von einer anderen Kirche übernommen wird, denn er trägt die Jahreszahl 1790. Vielleicht stammt sie ja aus einem Vorgängerbau oder einer der vielen anderen Kapellen im Pfaffenwinkel. Die Sebastianskapelle liegt direkt am Nussberger Weiher und somit auch an einem der zahlreichen Wege entlang der vielen Seen südlich des Starnberger Sees.
1865/66: die Hart-Kapelle in Wielenbach, oder: als ein mysteriöser Hirte zum Richter wurde
Wenn es um geheimnisvolle Geschichten geht, gehört die Hart-Kapelle in Wielenbach zweifelsohne zu den spektakulärsten Kapellen im Pfaffenwinkel. Sie wurde zwar erst im 19. Jahrhundert gebaut, doch ihre Ursprünge gehen auf eine Legende aus dem 13. Jahrhundert zurück. Die beiden Nachbargemeinden Haunshofen und Weilheim haben sich lange um ein Grundstück gestritten. Mangels Argumente konnten sie sich nicht einigen, zu welcher der beiden die Weidelandschaft nun gehörte. Vor Ort sollte die Sache endlich geklärt werden, was jedoch nur zu Beschimpfungen führte.
Dann soll plötzlich ein Mann in Hirtengestalt aufgetaucht sein und mit den Worten „So wahr ich tritt in diesen Stein, ist dies Haunshofer G’mein“ auf den Boden gestampft haben. Anschließend ist er wieder verschwunden. Zurück blieb jedoch ein Abdruck in besagtem Stein. Diese Erscheinung – oder war es gar ein Gottesurteil? – hatte offenkundig so viel Autorität, dass die beiden Orte ihren Streit beenden und Frieden schließen konnten.
Fazit: Kapellen im Pfaffenwinkel sind ein lohnendes Ziel
Auch wenn dieser Artikel nur eine Auswahl an Kapellen im Pfaffenwinkel vorstellen kann, liegt es auf der Hand, dass in der Region zwischen Lech und Loisach Kapellen zu den besonderen und zahlreichen Reisezielen gehören. Wer ein Faible für Gotteshäuser und das katholische Christentum im Voralpenland hat, wird sich hier besonders wohlfühlen, zumal die Kapellen immer auch in einer reizvollen Landschaft stehen. Wer noch mehr über die oberbayerische Voralpenregion zwischen Lech und Loisach erfahren will, liest am besten noch mehr Reportagen über den Pfaffenwinkel.
Transparenz: Die Recherchen zu diesem Artikel wurden von der Tourismus-Organisation Pfaffenwinkel durch Einladungen zu Gruppen- und Individual-Pressereisen unterstützt. Eine Einflussnahme auf die Inhalte fand nicht statt.