Hasunger Berg, Burghasungen, Zierenberg

Der himmlische Burghasunger Berg und der heilige Heimerad

Der Hasunger Berg ist gleichermaßen berühmt und vergessen. Was ihn so bedeutend macht.

Aus der Ferne sieht der Burghasunger Berg aus wie viele andere der Erhebungen im Naturpark Habichtswald auch. Man sieht es der Erhebung kaum mehr an. Doch am Grab des heiligen Heimerad entstand einst ein bekanntes Kloster, das den zweitgrößten Wallfahrtsort des Hochmittelalters im deutschsprachigen Raum betreute.

Auf einem Rundweg kann man den Berg und seine Bezugspunkte kennenlernen. Seine Bedeutung jedoch geht weit über die eines Naturrefugiums und Wanderziels hinaus.

Wandern und Natur im Wolfhager Land

Der Berg kann heute in erster Linie als Naturerlebnis genossen werden. Der Themenweg Eco-Pfad Kloster Hasungen bezieht alle relevanten Ziele ein. Während man den Berg von Burghasungen aus über die Rückseite besteigt, passiert man die Bergbühne und gelangt schließlich auf ein Plateau, wo schöne Panoramen auf naturhungrige Augen warten.

Auf dem Burghasunger Berg

Auf dem Berg befinden sich wenige Reste des Klosters und eines Turmes, ein Teich, verschiedene Gedenk- und Infotafeln und das Heimerad-Kreuz. Beim Abstieg wiederum passiert man die evangelische Dorfkirche, ehe der Weg zurück zum Ausgangspunkt am Museum Kloster Hasungen führt.

Wie kam es zu dieser besonderen Situation des Burghasunger Berges? Um das zu verstehen, muss die Uhr um über 1000 Jahre zurück gedreht werden in die Zeit der Ottonen im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, als die Kirche noch vor der Spaltung in römische Kirche und östliche Orthodoxien in Einheit bestand.

Als sich dem heiligen Heimerad der Himmel öffnete

Vermutlich war es im Jahr 1016, als am Fuß des Hasunger Berges ein ziemlich zerlumpter Pilger stand. Wahrscheinlich hat ihn niemand aus dem Dorf vorher je gesehen und besonders vertrauenserweckend sah er vermutlich auch nicht aus. Sein Anliegen: er bat um Aufnahme im Dorf, um sich auf dem Hasunger Berg niederlassen zu können, nachdem er eine Eingebung hatte.

[…] sobald er jenen Berg betrachtete, nicht anders vorgekommen sei, als wenn er das Innere des Himmels betrachten würde. […] Weil er sich also aufgrund dieser Vision dessen sicher war, dass ihm dieser Ort vom Himmel vorherbestimmt gewesen sei, bat er die Bewohner, es möge ihm das Recht zugestanden werden, auf dem Berg zu wohnen. Was er, als sie ihm dies gewährt hatten, dort an Anstrengung, was an Schweiß aufgewendet hat, wie er ganz im Dienst für Gott aufgegangen ist, wie häufig er im Gebet verweilt hat, wie beharrlich er bei der Lesung, wie freigebig beim Almosenspenden, wie mitfühlend gegenüber den im Elend Lebenden, wie umgänglich er gegenüber allen gewesen ist, auf welche Weise er seinen Körper mit Fasten und mit Nachtwachen zermürbt hat, wie er sein Fleisch samt den Lastern und Begierden gekreuzigt hat, danach mögen diejenigen, die uns den Glauben verweigern, die Wunder befragen.

Aus der Vita Heimeradi des Mönches Ekkebert von Hersfeld, Übersetzung: Ewald Kurtz, zitiert nach C. Witt: Der heilige Heimrad von Meßkirch, Meßkirch 2009


Wie kam er hierher? Der heilige Heimerad stammt aus Meßkirch, wie Ekkebert aus dem Kloster Hersfeld in seiner „Vita Heimeradi“ berichtet. Dort war er eine Art Hauspriester in einem Adelshaus, konnte sich aber mit der dort gepflegten Form des geistlichen Lebens nicht anfreunden. Er wollte Ernst machen mit der Sache Christi.

Heimerad ließ Heimat, Familie und Habe in Meßkirch hinter sich und ging auf Pilgerschaft, um das Leben mit den Armen auf der Straße zu teilen. Er wollte dem biblischem Gebot folgen „außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen“ (Mk 6,8-9).

Ganz so bibeltreu war es aber nicht, denn es ist bekannt, dass er ein Pferd und Bücher besaß. Das waren damals Zeichen von Reichtum. Beides wurde ihm allerdings weggenommen, um ihn zu erniedrigen. Es gehörte wohl zu seiner Art, dass er immer und immer wieder zum Gespött der Leute wurde. Einfache Leute, Priesterbrüder, Mönche, Bischöfe und Äbte, Grafen und Kaiser demütigten ihn, verjagten ihn oder intrigierten gegen ihn. Nur wenige schätzten seine Art und schenkten ihm Freundschaft.

Und selbst als er im Kloster Hersfeld ausgepeitscht wurde, weil er seiner Berufung nicht dergestalt folgte, dass er als Mönch ins Kloster eintrat, machte er niemandem Vorwürfe oder beklagte sich. Stattdessen betete er einen Bußpsalm (der heute vorzugsweise verbannt wird): „Verbirg dein Angesicht vor meinen Sünden, tilge alle Schuld, mit der ich beladen bin! Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz und einen festen Geist erneuere in meinem Innern!“ (Ps 51,11-12).

Seine Rechtfertigung war: „Ich bin ein Freund des Kaisers“, was für weitere Empörung sorgte, wenn sich ein Obdachloser so nannte. Tatsächlich meinte Heimerad aber nicht den weltlichen Kaiser Heinrich II., sondern Jesus Christus, der zu dieser Zeit als Imperator bezeichnet wurde.

Heimerad wandte sich ab von den Grundsätzen des stationierten Lebens und zog das Nomadentum vor. Eine Form, wie sie übrigens auch in kirchlichen Zusammenhängen verworfen wird. Das wohl bekannteste Beispiel ist die Regel des heiligen Benedikt, der in den Arten der Mönche solche Christen als Gyrovagen ächtet.

Man könnte die Lebensweise des Heimerad auch als Aufstand gegen die Sesshaftigkeit beschreiben. Sein Beispiel zeigt, dass Konflikte mit Klöstern dennoch zur Heiligkeit führen kann. Das Sichergeben in die damit verbundenen Leiden verbanden ihn mit Christus.

Was löste der heilige Heimerad auf dem Hasunger Berg aus?

Schließlich landete er nach der Zustimmung der Dorfbewohner auf dem Hasunger Berg, wo er noch einige Jahre lebte und schnell in den Ruf der Heiligkeit geriet, Menschen Rat gab und die vielen Geschenke, die er erhielt, an Bedürftige weiter zu reichen. Er verließ sich dabei ganz auf die Barmherzigkeit Gottes.

Nach dem Tod des heiligen Heimerad am 28. Juni 1019 setzte bald eine Wallfahrt zu seinem Grab ein. Er wurde vermutlich dort bestattet, wo heute das große Kreuz steht. Erzbischof Aribo von Mainz ließ deshalb schon 1021 eine Kirche bauen, der Erzbischof Siegfried von Mainz 1074 ein Chorherrenstift folgen ließ, um die Wallfahrt zum Grab zu betreuen.

1076 verfasste der Mönch Ekkebert aus Hersfeld die Vita Heimeradi, die Lebensgeschichte des Heimerad. 1081 wurde aus dem Chorherrenstift ein Benediktinerkloster, um dem seelsorglichen Bedarf der wachsenden Wallfahrt gerecht werden zu können. Sie wurde nach der Nürnberger Sebaldus-Wallfahrt die zweitgrößte im deutschsprachigen Raum.

Zwar gerieten die Wallfahrt und das Kloster immer wieder in Krisen, die durch klösterliche Reformbewegungen, den Investiturstreit oder Machtkämpfe ausgelöst wurden. Doch die Verehrung des heiligen Heimerad hielt bis zum Ende des Mittelalters an. Mit der Reformation wurde das Kloster jedoch aufgelöst und der Hasunger Klosterberg geriet mitsamt seinem Heiligen in Vergessenheit.

Der amtierende evangelische Ortspfarrer gilt – mal mit mehr, mal mit weniger Augenzwinkern – als offizieller Nachfolger des heiligen Heimerad. Anlässlich des 1000sten Todestages benennt der Pfarrer mit gebührlichem Ernst die Folgen der geschichtlichen Entwicklungen auf dem Hasunger Berg: „Das klösterliche Leben hat hier einen beispiellosen Untergang erlebt“.

Auf dem Rundweg Eco Pfad Kloster Hasungen kommt übrigens immer wieder die Frage auf, ob der Teich auf dem Berggipfel der selbe ist, in dem auch schon der heilige Heimerad badete, wie es in seiner Legende überliefert wird. Das scheint aber etwas unwahrscheinlich, da sich auf dem Berg auch eine Station der örtlichen Wasserversorgung befindet, die den Wasserhaushalt reguliert.

Das Klostermuseum in Burghasungen

Anfang der 1970er Jahre entstand nach der Wiederentdeckung des heiligen Heimerad und zum 900jährigen Jubiläum der Stiftskirchen-Weihe eine Initiative zur Dorfgeschichte. Das Schweigen der früheren Gebäude führte 2008 zur Entscheidung, das klösterliche Erbe in Form eines modernen Museums zeitgemäß fortzuführen.

Blick vom Burghasunger Berg ins Wolfhager Land

Das Museum Kloster Hasungen wurde 2012 eröffnet und bildet heute den Mittelpunkt des früheren „Klosterdorfes“ Burghasungen. Hier sind verschiedene historische Exponate wie die Gründungsurkunde und der Weihestein des Benediktiner-Klosters ausgestellt.

Heimerad-Skulptur von Helmut Mander

Der Weihestein ist bis heute erhalten. Er wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts wiedergefunden und ist heute in der evangelischen Kirche vermauert, die weitgehend aus dem geschliffenen Kloster gebaut wurde.

2006 nahm das Land Hessen Burghasungen in sein Dorferneuerungsprogramm auf. Im Folgejahr gründete sich der Museumsverein Kloster Hasungen. Seine Aufgabe ist es, das Museum zu betreiben, die Geschichte des Klosters aufzuarbeiten und Kulturwerte zu erhalten und zu pflegen. Die Trägerschaft liegt seit der Eröffnung 2012 in Händen der Stadt Zierenberg.

Zur Sammlung gehören Elemente der Architektur, Dokumente zur Zeitgeschichte und Rezeption sowie deren Illustration und Archivierung. Die Dauerausstellung wird durch themenverwandte Ausstellungen, Konzerte, Vorträge, Feste oder Empfänge erweitert.

Bereits die Architektur des Gebäudes selbst ist Teil einer Ästhetik, die rund um das Kloster Hasungen das Erbe in der Gegenwart pflegt. Neben dem hohen Giebelbau charakterisieren insbesondere die 4,50 m hohen Fenster das Gebäude und erinnern an mittelalterliche Kirchenbauten, ohne in Historismen zurück zu fallen. Eine Galerie innerhalb des Raumes verbindet zum angebauten Raum für Sonderausstellungen.

Die Pflege des kulturellen Erbes regte insbesondere im Vorfeld des Jubiläumsjahres Künstler an, sich mit dem heiligen Heimerad auseinanderzusetzen. Sein ungewöhnlicher Weg inspirierte zu teils recht unterschiedlichen Darstellungen seiner Existenz, obwohl die einzelnen Werke die gleiche Persönlichkeit aufgreifen. Zu ihnen gehören Carola Justo, Helmut Mander oder Arnold Stadler.

Weitere Tipps rund um den Hasunger Berg

Über die Sonderausstellungen, Veranstaltungen, Öffnungszeiten und aktuelle Neuigkeiten informiert die Website des Museum Kloster Hasungen. Wie bereits erwähnt, befindet sich auf der Rückseite des Hasunger Berges ein Amphitheater. Über das Programm für Theaterliebhaber an diesem speziellen Ort und die Mietmöglichkeiten informiert die Bergbühne Burghasungen.

Die Stadtkirche in Zierenberg ist ebenfalls empfehlenswert, wenn man sich für mittelalterliche Sakralbauten interessiert. Hier sind bis heute in großem Umfang Wandmalereien aus dem Spätmittelalter erhalten. Informationen zu Führungen gibt es bei der Evangelischen Kirchengemeinde. Aus mittelalterlicher Sicht ist auch die 13 km entfernte Weidelsburg interessant.

Mehr über den heiligen Heimerad erfährt man im Heiligenlexikon oder im Buch „Der heilige Heimerad. Priester. Pilger. Pauper Christi„.

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  1. Anonymous

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