Historische Aufnahme der Donautalbahn-Baustelle an der Schmeiemündung

Geschichte der Donautalbahn: Soldaten zu Pendlerscharen

Die Geschichte der Donautalbahn zwischen Sigmaringen und Tuttlingen, eine der reizvollsten Bahnstrecken in ganz Deutschland, im Überblick.

Die Donautalbahn zwischen Tuttlingen und Sigmaringen gilt als eine der schönsten Bahnstrecken Deutschlands. Doch an eine touristische Nutzung war gar nicht gedacht. Auch ging sie in der Pionierzeit der Eisenbahn recht spät an den Start. Das hatte Gründe. Ein Blick in die Archive und in die Gegenwart.

Die vollständige Realisierung einer durchgängigen Bahnstrecke von Ulm nach Donaueschingen ließ zunächst auf sich warten. Mit der Schwarzwaldbahn bis Tuttlingen sowie von Ulm nach Sigmaringen gab es schon Ost West-Verbindungen. Dieser Abschnitt wurde zuletzt bis 1878 nach Inzigkofen erweitert, um als Hohenzollernbahn durch das Schmeietal nach Ebingen und Balingen zu fahren.

Es fehlte also eine direkte Verbindung von Sigmaringen nach Tuttlingen.

Die Donautalbahn war so nicht geplant – und ist plötzlich Staatsangelegenheit

Die Idee einer geschlossenen Zugverbindung von Sigmaringen nach Tuttlingen entstand bereits 1860. Das Eisenbahn-Comité Tuttlingen wollte die württembergische Regierung dazu bewegen, den neuen Industriestandort an die Achse Freiburg-Ulm anzubinden. Die dazugehörige Denkschrift sah jedoch eine Streckenführung nicht durch das Donautal, sondern über Neuhausen ob Eck und Meßkirch vor.

Doch weder Baden noch das preußische Hohenzollern konnten sich mit dieser Idee anfreunden. Bei der Streckenführung durch das Donautal wiederum stand man vor geologischen und territorialen Hürden. Neben den baulichen Anforderungen befand sich das Donautal in drei Staatsgebieten des Königreichs Württemberg, des Großherzogtums Baden und der Hohenzollerischen Lande.

Den politischen Durchbruch für die Donautalbahn brachte am Ende das preußische Kaiserreich, das nach dem Krieg mit Frankreich 1870/71 bei drohenden Waffengängen schnell die württembergischen und bayerischen Regimenter ins Elsass transportieren können wollte, das 1871 Teil des Deutschen Reiches geworden war.

Die militärstrategischen Erwägungen und die wirtschaftlichen Absichten des Tuttlinger Eisenbahn-Comités harmonierten zugunsten der Donautalbahn. Der vom Deutschen Reich wesentlich mitfinanzierte Bau wurde dem Königreich Württemberg übertragen, das auf Basis des Staatsvertrages von 1873 mit dem Großherzogtum Baden grenzüberschreitend ab 1888 das Vorhaben in der Drei-Länder-Region umsetzte.

Die Donautalbahn wird von 1888 bis 1890 gebaut

Für den Bau des Abschnittes zwischen Inzigkofen und Tuttlingen waren große Anstrengungen notwendig. Der Bau der Donautalbahn brachte Arbeit und Aufträge in die Region. Aber es brauchte viele Hände, um das Mammutwerk voran zu bringen.

Für das Anwerben von Arbeitern wurden nicht nur Anzeigen zur Bewerbung von ungelernten Hilfskräften geschaltet. Gezielte Anwerbungen aus Trentin, Tirol und Kroatien führten zur notwendigen Arbeiterzahl. Die Helfer wurden in Baracken oder umliegenden Dörfern untergebracht. Schutzmaßnahmen gegen Kündigung, Krankheit oder Invalidität gab es nicht.

Ohne die Vielzahl der einfachen Arbeiter wäre es nicht möglich gewesen, innerhalb von zwei Jahren vier Tunnels, mehrere Brücken, acht Bahnhöfe und 22 Bahnwärterhäuschen zu errichten. Sogar ein halber Kilometer Donau musste verlegt werden, um auf 40 km Länge eine optimale Streckenführung umzusetzen. Wie viele während der Baumaßnahmen verletzt oder getötet wurden, ist bis dato nicht bekannt.

Foto: (c) Archiv Paape

Symbolisch für die Anstrengungen steht ein Foto aus Beuron: wie einst die Donau durch die Südwestalb, mussten sich zahllose Arbeiter mit Pickel und Schaufel durch Anhöhen im Tal und durch Berge graben, um den Gleisen ihren Weg zu ebnen.

Bei der Einweihung am 26. November 1890 fuhr ein festlich geschmückter Dampfzug mit Ehrengästen zunächst von Tuttlingen nach Sigmaringen und machte an allen Stationen Halt, wo unter lauten Böllerschüssen und „Hoch“-Rufen das neue Verkehrsmittel eingeweiht wurde. Auch wurden an diesem Festtag ordentlich Reden und Gläser geschwungen.

Ein Schienenzug verbindet die beiden blühenden Donaustädte Tuttlingen und Sigmaringen, und eines der prächtigsten Thäler, die sich je ein Fluß geschaffen, ist in den Weltverkehr eingereiht.

Frohlocken der Presse 1890

An der Ansprache des Fridinger Bürgermeisters Epple lässt sich ablesen, dass Kriege vielen noch immer in Knochen und Seele steckten. Er trug den Wunsch vor, „daß die Bahn vor Unglück bewahrt werde“ und „daß sie, obwohl in militärischem Interesse gebaut, nie oder doch erst in späterer Zeit kriegerischen Zwecken zu dienen bestimmt sein möge“.

Wie ging es die nächsten 130 + x Jahre weiter?

Die Donautalbahn wurde tatsächlich zum Segen, aber nicht unbedingt wegen ihrer Schönheit, Mondänität oder ihres militärischen Nutzens, sondern vor allem als Pendlerzug. Ein Zahlenbeispiel verdeutlicht: 1890 nutzten rund 150.000 Fahrgäste den Bahnhof in Tuttlingen, 1908 waren es bereits viermal so viele.

Die Donautalbahn brachte Pendler aus dem Donautal und den oberhalb gelegenen Dörfern an das neu entstehende Weltzentrum der Medizintechnik und die Schuhfabriken in Tuttlingen. Wenn heute die Waldwege zwischen Buchheim, Leibertingen oder Irndorf von und nach Beuron für Wanderungen genutzt werden, bewegt man sich gleichzeitig auf den alten Pendlerrouten der Arbeiter, für die diese Wege zum täglichen Brot gehörten.

Ab 1900/Tuttlingen: Betriebskantinen gab es keine. Pendler, die nicht in Gasthöfen versorgt wurden, fuhren in der Pause nach Hause. Hierfür wurde für die Donautalbahn ein eigener Arbeiterzug eingerichtet, der von Tuttlingen über Stetten, Mühlheim und Fridingen nach Beuron fuhr und sich anschließend gleich wieder auf den Weg nach Tuttlingen machte.

1922/Renquishausen war durch die Poststrukturen an Mühlheim angebunden und wurde wie andere Heubergdörfer durch einen Landpostboten versorgt. Der „Bot von Hausen“, wie Raphael Rack aus Renquishausen genannt wurde, soll während der Inflation in den späten 1920er Jahren seinen Monatslohn postwendend auf den Mist geschmissen haben. Zur Erklärung gab er an, dass das Geld sowieso nichts mehr wert sei, bis er zu Hause ankommt.

1925/Fridingen: Etwas skurril sind die Konsequenzen für Fridingen. Von der Ankunft bis zur Rückkehr aus Beuron dauerte es nur 27 Minuten. Da der Bahnhof außerhalb des Stadtkerns liegt, reichte die Zeit nicht, um nach Hause zu gehen. Deshalb kamen Angehörige an den Bahnhof und brachten das Mittagessen. Im Freien war es bei schlechtem Wetter und im Winter kein Vergnügen. Deshalb wurde 1925/26 eigens eine beheizte „Esshalle“ gebaut.

1928/Tuttlingen war stets Impulsgeber für die Donautalbahn und steuert auch eine eigene Episode bei. Wer einen Stadtplan durchsieht, wird feststellen können, dass die Bahnhofstraße gar nicht bis zum Bahnhof geht. Das hat seinen Grund im Neubau von 1928-1933. Der bis heute stehende Bahnhof wurde an die neue Streckenführung gebaut. Der alte Bahnhof hingegen stand tatsächlich am Ende der Bahnhofstraße am heutigen Aesculap-Kreisel.

1935/Beuron: Als das Kloster Beuron quasi genötigt wurde, auf den Zug der Zeit aufzuspringen, wurde das Donautal nun auch Ziel von Wallfahrermassen. 1935 wurde sogar ein eigener Bahnhof für Wallfahrer errichtet, der ab 1936 unter braunen Vorzeichen gleich wieder herunter gefahren wurde, bis die Wallfahrt 1942 komplett zum Erliegen kam.

1954/Bad Saulgau liegt zwar nicht im Donautal, ist aber der Heimatort des Hotels Kleber Post, nach dem aufgrund des großen familiären Engagements der berühmte Kleber-Express von München nach Freiburg benannt wurde. Der Eilzug und Regionalexpress fuhr bis 1993.

Im Laufe der Jahre wurde es immer ruhiger um die Donautalbahn. Mit Wohlstand und Individualverkehr wurden Zugpendlerscharen zu Blechlawinen. Auf der schwach ausgelasteten Strecke wurden wie überall Fahrpläne ausgedünnt und Stationen geschlossen, was die Benutzerzahlen weiter sinken ließ. Dies wiederum zog weitere Kürzungen nach sich, Bahnhöfe und Wärterhäuschen wurden meist anderen Nutzungen zugeführt.

1981/Tuttlingen kam fast das komplette Aus für die Donautalbahn. Die Gleise konnten aber durch Eilzüge in Richtung München erhalten werden, die dann auch von Schülern genutzt wurden.

Die Donautalbahn als Neige-Tech-Zug

Die Donautalbahn wird wieder attraktiver

Die Blechlawinen in den Städten und die Forderungen des Klima- und Naturschutzes fordern eine Wiederbelebung der Donautalbahn als Pendlerzug zu attraktiven Wohnorten außerhalb der überlasteten Mittelzentren und zur Entwicklung moderner multimodaler Mobilitätskonzepte.

2013/Tuttlingen: Die IG Donaubahn verabschiedet eine Resolution und stellt sie der Öffentlichkeit vor. Darin enthalten sind auch Forderungen zur Förderung der Donautalbahn durch Stundentakt, zusätzliche Haltepunkte oder Fahrradmitnahme.

2014/Villingen-Schwenningen: Die IG Donaubahn gründet sich als Interessenverband, in dem sich die kommunalpolitisch Verantwortlichen zwischen Ulm und Donaueschingen zusammen geschlossen haben. Die Geschäftsführung wird beim Regionalverband Schwarzwald-Baar-Heuberg angesiedelt.

2015/Tuttlingen: Der Landschaftspark Junge Donau, Interessengemeinschaft der Anrainerkommunen zwischen Donaueschingen und Sigmaringen, feierte 2015 gemeinsam mit den Bürgern das 125jährige Jubiläum des Bauwerks, dem auch in Zukunft eine entscheidende Rolle für das Leben im ländlichen Raum zukommen soll.

Das gemeinsame Ziel: Die Donautalbahn soll wieder aufgewertet werden und so einen wichtigen Beitrag für eine nachhaltige Mobilität im ländlichen Raum leisten. Dazu gehört neben dem Pendlerverkehr auch eine höhere Attraktivität für Tourismus und Naherholung. Weitere Aktualität bekommt die Donautalbahn durch die Initiative, auch die Ablachtalbahn wiederzubeleben.

2016/Stuttgart: Unauffällig verlautete im Frühjahr 2016 aus dem Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg (MVI), dass der Vertrag über die Konzession unter anderem für die Donautalbahn-Strecke zwischen Donaueschingen und Ulm mit der DB Regio von Ende 2016 bis Ende 2026 abgeschlossen wurde.

Darin wurde auch die Einführung des Stundentaktes zwischen Tuttlingen und Sigmaringen bekannt gemacht sowie Modernisierungen der Züge, um Menschen mit eingeschränkter Mobilität leichter Zugang zu verschaffen und die durchgängige Fahrradmitnahme zu ermöglichen.

2021: Der Stundentakt der Donautalbahn zwischen Sigmaringen und Tuttlingen mit Halten in Mühlheim, Fridingen und Beuron wird seit 2021 in den Tagstunden umgesetzt. Verstärkt wird das Angebot durch den Ringzug im Landkreis Tuttlingen. Im Gegenzug wurde der NaturparkExpress eingestellt, der in den Sommermonaten als Ausflugszug den höheren Bedarf abdeckte.

2023: Laut Aussage der Deutschen Bahn soll es ab 2026 zu weiteren spürbaren Verbesserungen kommen. Teil dieses Versprechens sind digitale Stellwerke. Im Bereich der Donautalbahn wird eines in Inzigkofen gebaut. Unabhängig von aktuellen Finanzierungslücken soll der durchgängige Ein-Stunden-Takt zwischen Ulm und Tuttlingen kommen, der dazu um 15 Minuten verschoben wird, um Anschlüsse zu verbessern.

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(230216/JDM6019+IG9497)

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