Leben die Schwaben im Spätzleshimmel? Und wenn nicht, wo dann?

Das Landesmuseum Württemberg in Stuttgart stellt sich der nicht ganz einfachen Frage, wer die Schwaben sind und wo und wie sie leb(t)en. Spurensuche nach einem umstrittenen Völkchen.

“Ich bin zwar Badener, aber dennoch Danke für die Aufnahme”, lauten immer wieder Äußerungen in Social-Media-Gruppen, die sich schwäbischen Themen widmen. Daran hört man schon heraus, dass Schwaben angeblich diejenigen sind, die im heutigen Baden-Württemberg in den nicht-badischen Gebieten leben. Also die Württemberger. Oder doch nicht?

Wer es so sieht, ist wohl etwas geschichtsvergessen, denn wenn es so einfach wäre, hätte es die Ausstellung “Die Schwaben – zwischen Mythos und Marke” vermutlich gar nicht gegeben. Durch alle Zeiten seit der Antike will sie dem umstrittenen Volk nachspüren. Und sie hat viele Überraschungen parat.

Steinfigur mit Sentenzen im Hintergrund

Wer sind denn nun die Schwaben?

So ziemlich sicher scheint nur eins zu sein: die Sueben und die Schwaben haben völkergeschichtlich nicht sonderlich viel gemein. Die Ausstellung will tiefer gehen und bezieht die Zuschauer dabei ein. So sollen sie zum Beispiel Pins auf einer Karte “Gefühltes Schwaben” aufbringen. Und da erstreckt sich Schwaben doch etwas weiter als als über das einstige Württemberg. Zwar ballt sich heute alles um die Landeshauptstadt Stuttgart, aber auch das (kurpfälzische) Rhein-Neckar-Gebiet, die Pfalz, ja sogar Bayern und Franken tauchen in dieser Karte verhältnismäßig prominent auf.

Dass die Schwäbische Alb zwischen Haigerloch und Sigmaringen mitsamt einigen Enklaven im 19. Jahrhundert preußisch war (Hohenzollerische Lande) scheint dabei vergessen, obwohl der Zoller die Stammburg des letzten Kaisers ist. Auffallend ausgeklammert sind dagegen der Schwarzwald, Vorarlberg und das Elsass, was dem oben erwähnten Verständnis von heute entspringen dürfte. Im Widerspruch dazu steht die Präsenz des Bodensees und Teile der Schweiz, ist doch das Nordufer samt Hinterland bis fast nach Friedrichshafen badisch und in Nonnenhorn schon wieder bayerisch. Und dennoch spricht man trotz österreichischem und schweizerischem Ufer vom “Schwäbischen Meer”.

Karte gefühltes Schwaben

Geschichtlich gesehen ist das kein Widerspruch. Im Frühmittelalter – als Stuttgart noch nicht mal bei Cannstatt lag – gab es hier viele Alemannen, die spätestens mit der Heirat von Karl dem Großen mit seiner zweiten Frau Hildegard ins karolingische Reich eingegliedert wurde. Stuttgart selbst ist sogar eine badische Gründung und fiel als Mitgift im 13. Jahrhundert an Württemberg.

Hinter diesem Hin und Her steht ursprünglich immer das Volk der Alemannen. Und die Herzkammer dieser Region waren der Bodensee und das alte Bistum Konstanz. Diese Einheit lebt sprachlich am ehesten in der schwäbisch-alemannischen Fasnet weiter, mit der Bräuche gepflegt werden, die zwar erst seit der Nachkriegszeit einen Boom erleben, aber in der Regel die Zünfte aus mittelalterlichen Sagen im lokalen Brauchtum kreiieren. Kein Mensch käme auf die Idee, von einer badisch-württembergisch-schwyzerisch-alemannischen Fasnet zu sprechen…

Glaube zwischen Sein und Schrein

Ein Teil der Ausstellung tritt kunstvoll dem Gedanken entgegen, die Schwaben seien protestantisch. Waren und sind die Württemberger mehrheitlich protestantisch, so gilt dies nicht für Oberschwaben. Der Landstrich zwischen Lech und Donau an der oberschwäbischen Barockstraße hat durch alle Zeiten eine reiche Klosterkultur hervorgebracht, die zumindest in Teilen auch durch die Säkularisation nicht unterging. Heute wird solche Glaubenstiefe meist belächelt, doch alleine die Kunstwerke, Reliquiare und Sakramentalien strahlen ohne Religionspraxis die Kraft dieser Religiosität aus.

Blick in die Ausstellungsräume mit Kunstgegenständen

Wenn Schwaben schaben…

… dann gibt’s Spätzle. Diese Spezialität ist vermutlich das Identität stiftende Element der Schwaben schlechthin. Während man die Konfessionskriege den Maultschenmachern und den Rostbratenstreit den Chefköchen überließ, sind Spätzle neben den Fischer-Dübeln und den Daimler-Fahrzeugen das schwäbische Symbol schlechthin.

Wer diese Liebe in seinem Magen eingelassen hat, wird sie unabhängig von Migrationshintergrund (egal ob Bosporus oder Baden) als urschwäbisch schätzen. Und sie machen Schwaben ortsunabhängig. Egal, wohin und aus welchen Gründen sie in die Welt reisen, sie werden überall nach Mehl, Eier, Salz und Wasser Ausschau halten, um den schwäbischen Geist lebendig zu halten. Und nicht wenige werden ihr Spätzlesbsteck im Gepäck haben.

Die Ausstellung “Die Schwaben – zwischen Mythos und Marke” schaffte es, zugleich verdichtet und komplex die Facetten der Schwaben zusammen zu stellen. Die hier angesprochenen Themen sind nur ein subjektiver Ausschnitt. Ein eigenes Bild kann man sich heute immer noch im umfangreichen und gleichnamigen Ausstellungskatalog machen.

Transparenzhinweis: Die Recherchen für diesen Artikel wurden durch das Landesmuseum Baden-Württemberg durch freien Eintritt und Fotografier-Gestattung unterstützt.

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