Richard Dietrich auf einer Birnenwiese

Im reichsten Birnengarten der Welt: Richard Dietrichs einzigartiges Streuobst-Refugium

Bei einem Besuch in Vorarlberg lerne ich den größten Birnengarten der Welt kennen. Dabei ist er für diesen Superlativ gar nicht so groß. Zumindest, wenn groß die Fläche meinen soll. Das macht aber beim Thema Streuobst und speziell Vorarlberger Birnen keinen Sinn. Vielmehr geht es um die Sortenvielfalt.

Richard Dietrich und ich brauchen für einen kleinen Streifzug durch seinen speziellen Garten etwa eine Stunde. Bei unserem Streuobst-Rundgang höre ich aber so viele Sortennamen von Birnen, dass es mein Gehör und Gedächtnis überfordert. Das ist kein Zufall. Denn diese ungemeine Vielfalt stammt aus einer wissenschaftlichen Phase, in der die Streuobst-Initiative im Vorarlberger Rheintal etwa 2000 verschiedene Birnensorten zusammengetragen und kultiviert hat.

2000 verschiedene Birnensorten

Für eine Klassifizierung wurde vor über 20 Jahren begonnen, die Bäume zu erfassen, zu kennzeichnen und ein genetisches Screening zu machen, um die Muster mit europaweiten Datenbanken abzugleichen. Im Prinzip ist dieses Projekt noch nicht abgeschlossen, denn von diesen 2000 Sorten sind anfänglich ein Drittel und bis heute etwa 300 noch immer nicht identifiziert. Dadurch dürfte unbestritten sein, dass er den artenreichsten Birnengarten der Welt unterhält.

Birne mit Kennzeichnung
Die Nummern sollen einen Bezug zu den Sorten-Datenbanken schaffen.

Welche Sorten sind in Vorarlberg heimisch?

Typische alte Sorten im Ländle sind Subira und Husbira (Saubirnen und Hausbirnen). Unter den vielen anderen konnte ich mir gerade so Wahlsche Schnapsbirne, Längler, Kiefersämling, Kloserbira (Nikolausbirne), Langenegger Dörrbirne und Nagiwitz merken. Und elrne: man darf sich solch einen Garten als sortenreine Pflanzung vorstellen. Streuobstwiese bedeutet nicht Plantage aus Hochstammbirnen, sondern in erster Linie Vielfalt. Der Arten, der Wüchse und der Sorten.

Zwei Birnen in einer Hand
Die Wahlsche

Manche Sorten wachsen als Nieder- und Mittelstammobst. Häufig setzen sie auf anderen Obstsorten auf. Insbesondere Quitten kommen hier ins Spiel. Warum? „Weil Quitte das Höhenwachstum hemmt“, erklärt mir Richard Dietrich. Das ist wichtig, wenn Bäume nicht in die Höhe und Breite schießen sollen und nur 1,20 m auseinander stehen. Und zwischen den unzähligen Birnen wachsen auch noch andere Fruchtsorten. Äpfel, Pflaumen, Mirabellen. Die Gärten in Lauterach sind ein riesiges Experimentierfeld.

Birnen sind etwas für Praktiker

Um alte Sorten erhalten zu können, gibt Richard Dietrich sein Wissen gerne weiter. Das kann sowohl in Gesprächen oder Seminaren sein, oder auch in der Beratung bei der Sanierung oder Neuanlage von Streuobstwiesen. Da ich auch zu dieser Klientel gehöre, lerne ich schnell, dass es Durchhaltevermögen, Wissen und Erfahrung braucht. Als wir die verschiedenen Bäume passieren, greift er immer wieder an eine Frucht, erzählt etwas über die Sorte oder die kulinarische Qualität, manche entfernt er und geizt auch immer wieder Äste aus.

Richard Dietrich beschreibt die einzelnen Sorten.

Ein „Das macht man so“ gibt es nicht wirklich. Ich bekomme den Eindruck, dass man eine Art Beziehung zu den Bäumen aufbauen muss, sie verstehen lernen muss, um sie zum besten Wachstum und Ertrag zu bringen. Fehler rächen sich und dennoch sind sie unvermeidlich. Denn durch die Mechanisierung der Landwirtschaft und des Obstbaus seit den 1960er Jahren ist viel Wissen verloren gegangen. Viel von diesem Wissen ist kein akademisches Buchwissen, das basiert ganz auf der Erfahrung und dem Wachstum der Obstanbauer vor Ort. Dennoch empfiehlt Richard Dietrich ein Buch, zu meiner Überraschung das Buch zum modifizierten Oeschberg-Schnitt von Helmut Palmer, bei uns bekannt als „Remstal-Rebell„.

Wie nutzt man alte Birnensorten?

Die Nutzung ist dabei ganz unterschiedlich. Die einen eignen sich besser zum Brennen von Destillaten, die anderen zum Verzehr, die meisten zum Dörren. Weitere Möglichkeiten sind das Mosten oder die Veredelung zu Essig. „Das sind lange kreative Prozesse, die nie aufhören“, sagt Richard Dietrich dazu.

Bäumchen
Überall in den Gärten gibt es unterschiedliche Pflanzen

Richard Dietrich und seine Streuobstinitiative, an deren Anfang die Erhaltung alter Sorten im Vorarlberger Rheintal stand, haben wir während einer kulinarischen Reise durch Vorarlberg im Herbst kennengelernt. Eine unserer Stationen war in seinem kleinen Apfelgarten mit unbestimmten Sorten und in seinem Hofladen mit seinen Kostbarkeiten, die wir wie viele andere Spezialitäten am österreichischen Bodensee und im Bregenzer Wald genießen durften. In ihm sind wir auch einem offenen, gebildeten und sozialen Menschen begegnet. Heute bin ich speziell wegen der Birnen zu ihm gefahren, um sein Engagement für Streuobst in Vorarlberg und speziell von Birnen kennenzulernen und vorzustellen.

Dietrichs Vorarlberger Kostbarkeiten

Wenn man gerne genießt, lohnt sich der Weg in Dietrichs Hofladen in jedem Fall. Es gibt dort immer wieder neue Moste, Destillate, Liköre, Essige, Salatsoßen zu entdecken.

Dietrich Vorarlberger Kostbarkeiten

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