Der heiße September schießt Worte wie Fotosafari in den Kopf. „Einfach losfahren und auslösen“, denke ich, als ich mit meinem Auto ein paar Tage von Passau aus an der Jungen Donau entlang tingle. Logischerweise tritt Einiges auf den Plan, den es gar nicht gibt.
#1 Aldersbach:
Bier. Barock. Bayerisch
Die erste Safaristation ist barock und ich begegne dem ersten Löwen. Er ist bayerisch und steht in der Nähe von Passau. Im ehemaligen Zisterzienserkloster in Aldersbach war ich zuletzt vor 15 Jahren. Dieser Ort liegt aus Westen kommend so versteckt, dass man ihn kaum findet. Wegen der Asam-Malereien und des Klosterstüberl haben wir damals das lange Suchen gerne auf uns genommen. Heute lerne ich Aldersbach exemplarisch für eine touristische Wahrheit kennen: wenn man etwas installiert und bekannt macht, was viele Menschen interessiert, dann fahren auch große Gruppen an den A… der Welt, um es zu bewundern. Dieses Etwas ist die Landesausstellung 2016 des bayerischen Freistaates zum 500jährigen Jubiläum des bayerischen Reinheitsgebotes. Das baden-württembergische Pendant fand in Mannheim statt. Mir fällt auf, dass in der bayerischen Ausstellung die regionale Verankerung viel deutlicher herausgestellt wird als in der technisch-aufklärerisch ausgerichteten BaWü-Ausstellung.
Vielleicht liegt’s daran, dass die baden-württembergische Bierkultur regional völlig unterschiedlich daher kommt. In musealer Trockenheit verdurstet man in Aldersbach jedenfalls nicht. Es gibt täglich wechselnde Biere und Musik. Ich probiere ein „Konvent“. „Des iis mehr so a Äil, mit fuchzehn Sortn Hopfn einbraut“, erklärt mir der junge Mann am Zapfhahn. Schön kühl serviert im Verkostungsglas, lecker! Bier in Bayern ist noch bis 30.10.16 zu sehen und schmecken.
#2 Passau:
intrnäschnäll
In der Drei-Flüsse-Stadt miete ich mich auf dem kleinen-feinen Camping-Platz an der Ilz ein. Von hier braucht man nur 10 Minuten zu Fuß ins Zentrum. Auf der Donaubrücke kann man die Kreuzfahrtschiffe bestaunen, die Richtung Wien und Budapest schippern. Als ich die Altstadt erobere, krieg ich erst einmal ein Vögele. Cockcoo-Clock-Center pfeift’s mir von „Heidi und Peter’s Ladl“ inklusive Schweizer Bergflair und Deppenapostroph in die Augen. Natürlich denke ich jetzt nicht: „Da hätt‘ ich auch daheim bleiben können“. Klarer Fall von strategischer Zielgruppenorientierung. Aber eine Frage bleibt: was ist nur aus den Schwarzwalduhren geworden? Hollereiduldriö.
Am nächsten Morgen stapfe ich gegen fünf Uhr auf die Veste Oberhaus, um die Stadt bei Sonnenaufgang zu fotografieren. Der Anstieg ist knackig, das Wetter einmalig. Nach der blauen Stunde hoffe ich auf ein Frühstück. Auf der Fußgängerbrücke über die Donau nähert sich ein Lastenschiff. Als ich es von oben fotografiere, werde ich schier verrückt. Echt nichts für nicht schwindelfreie Menschen. Aber was soll’s? Fotos im Kasten und das Schiff ist vorbei an der Veste Unterhaus unterwegs Richtung Donau-Ilz-Inn-Mündung und Schwares Meer.
#3 Vilshofen:
Landebahn mit Kalbsbraten
Vilshofen ist mir bisher eher wegen der Benediktinerabtei Schweiklberg bekannt. (Ein andermal vielleicht mehr.) Eine Entdeckung ist der Flughafen am Donauufer. Auf der Suche nach einem interessanten Motiv lande ich im Restaurant mit Blick auf das Rollfeld. War hier gestern ein Fest? Auf dem Nebentisch steht jedenfalls ein schöner Blumenstrauß. Platz nehme ich mehr, weil ich Hunger habe. Mit Flugbetrieb rechne ich nicht, werde aber positiv enttäuscht. Laufend starten und landen hier kleinmotorige Maschinen. So kann ich einiges mit meiner Kamera ausprobieren. Positiv überrascht auch das Essen. Der Kalbsbraten ist wirklich sehr zart und schmeckt hervorragend.
#4 Niederalteich:
Sound of Silence
Die Abtei Niederalteich will ich schon lange mal besuchen. Bekannt ist sie dafür, dass der eine Teil der Mönchsgemeinschaft im römischen, der andere im byzantinischen Ritus lebt. Oder für seine ungewöhnliche Reliquiensammlung. Als ich die Basilika betrete, ist das Kirchenschiff fast menschenleer. Nur ganz vorn sitzt eine junge Frau und betrachtet wortlos den Tabernakel. Aus der Ferne höre ich ihrem stillen Gebet zu. Das macht wacher: „Vater unser im Himmel…“
#5 Pfelling:
Donaufreuden
Die niederbayerischen Städte zeichnen sich immer auch durch moderne Industrieareale aus. Vieles hier ist nicht touristisch ausgerichtet und man kann ein Stück unbekanntes Bayern kennenlernen.
Hinter Deggendorf entdecke ich eine Straße, die direkt am Damm entlang der Donau verläuft. An einer Kapelle bei Alkofen halte ich an. Auf dem Damm angekommen, entdecke ich, wie vielfältig die Einheimischen ihre Donau nutzen: Die einen kommen mit dem Oldtimer, andere mit dem Wohnmobil. Es ist einfach nur Sommer, die letzten Ferientage werden mit Baden, Angeln, Bootfahren oder Grillen genossen.
Straubing ist heute eine Sackgasse. Nach der schönen Landpartie fahre ich lieber weiter. Aber ich komme wieder!
#6 Gmünd:
„Au, die is schee“
Karte habe ich keine, mein Navi is kaputt, die Sonne ist mein Kompass und ich will immer nahe der Donau bleiben. Wenn ich direkt am Wasser bin, mache ich wieder Fotos. Von einer Infotafel lerne ich, dass hier die Gmünder Au ist. Der von der Wiesent durchflossene Donaualtarm ist Heimat besonderer Wasserpflanzen. Der Durchfluss in Altwassern ermöglicht eine dichte und vielfältige Vegetation. Die begradigte Donau ist am Spätsommerabend optisch besonders friedlich und schön.
#7 Wallhalla:
Wallfahrtsort?
Als ich auf Regensburg zufahre, türmt sich bei Donaustauf die Walhalla auf. Der klassizistische Heroentempel wird Mitte des 19. Jahrhunderts errichtet. Ludwig I. will die nationale Identität stärken und schafft eine Ruhmeshalle „teutscher Zunge“. Ob der „deutsche Sinn“ aus der eigenen Sprache geschaffen werden kann? Seit den katastrophalen Bruchlandungen nationalistischer Ambitionen hat man im 21. Jahrhundert auch viele Kritiker gewürdigt, zuletzt 2010 sogar Heinrich Heine, der als Zeitgenosse Ludwigs Verlautbarungen als „Walhall-Wisch“ verspottete. Seit der Jahrtausendwende wurden vor Heine auch Sophie Scholl, Carl Friedrich Gauß und Edith Stein aufgenommen.
Als ich am Abend hinkomme, sehe ich zahllose Menschen, die dem Sonnenuntergang und dem fantastischen Blick auf die Donau huldigen. Und ich höre zahllose Sprachen, sehe Getränke aus allen Ecken der Welt und die verschiedenen Moden deuten auch auf Vielfalt. Wer dort also zum Deutschtümmeln hin will, dürfte enttäuscht werden. Gut so.
Mit freudvollen Gedanken an diesen wunderbaren Fluss verziehe ich mich in mein Nachtquartier. Auf der nächsten Etappe geht’s von Regensburg nach Dillingen