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9+1 farbenfrohe Mittelalter-Tipps am Bodensee

#1 St. Gallen: Gallus, Otmar und der große Plan

St. Gallen kommt beim Thema Mittelalter am Bodensee auch ohne eigenes Ufer eine herausragende Rolle zu. Der heilige Gallus gehörte zur ersten Generation der iro-schottischen Wandermönche im Gefolge des heiligen Kolumban. Gallus trennte sich hier von ihm, um eine Einsiedelei zu errichten. Diese Keimzelle christlicher Kultur entstand im 6. Jahrhundert.

Gallus schlossen sich schnell weitere Mönche an und so entstand Anfang des 8. Jahrhunderts das Kloster St. Gallen mit Otmar als erstem Abt, der auch die Benediktsregel einführte. Seine besondere Bedeutung hat das Kloster auch durch die Verwahrung vieler Chroniken, Dokumente und Urkunden, die sich heute im St. Galler Stiftsarchiv und in der Stiftsbibliothek befinden. Unbedingt besuchen.

Das berühmteste Exponat der Stiftsbibliothek ist ohne Zweifel der St. Galler Klosterplan, der auf der Reichenau entstanden ist. Da meine Reise um den Bodensee auch um das Thema Bier kreist, zeigt mir der Stiftsbibliothekar Dr. Cornel Dora eine der drei Brauereien auf dem ausgestellten Faksimile, unter dem sich das Original des Klosterplans befindet.

#2 Reichenau: Eine folgenreiche Legende: Pirmin betritt die Insel

Der St. Galler Klosterplan ist auf der Insel Reichenau entstanden. Ähnlich wie in St. Gallen fand die Christianisierung auch hier im frühen Mittelalter statt – allerdings etwas später. Der heilige Pirmin betrat im 8. Jahrhundert – so die Legende – als erster die Insel, worauf sich sofort alles Gewürm in den Bodensee stürzte. Schelmische Zungen witzeln gerne, er habe leider vergessen, auch die Spinnen zu vertreiben.

Er gründete das Kloster in Mittelzell, das zum geistig-geistlichen Zentrum im Reich Karls des Großen wurde. Bis heute kann man dem Leben in der einstigen Reichsabtei nachspüren, das zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Teile der ursprünglichen Bausubstanz aus der Romanik sind bis heute erhalten. Zugleich kann man die Bauphasen des Mittelalters nachvollziehen. Das Münster wurde nie barockisiert.

Hinter dem Münster in Mittelzell befindet sich auch ein Kräutergarten, der nach der Vorlage im St. Galler Klosterplan angelegt wurde. Hier werden Führungen angeboten, auf denen man viel über die Würz- und Heilverwendung von Kräutern lernen kann. Das Kloster wurde im Zuge der Säkularisation aufgelöst, aber seit 2001 gibt es wieder benediktinisches Leben auf der Reichenau. In Niederzell errichteten Mönche aus Gerleve und Beuron ein kleines Kloster und versehen den Pfarrdienst auf der Insel.

Die Stundengebete in der Egino-Kapelle in der St. Peter und Paul-Basilika in Niederzell (11. Jhd.) sind öffentlich und laden ein, die Zeitlosigkeit der Psalmen und Gesänge im Gotteslob zu pflegen: Gottesdienstordnung.

Im Umfeld aller drei Kirchen auf der Reichenau befinden sich Museen zum UNESCO-Weltkulturerbe, die auf moderne Weise über die Tätigkeiten der einstigen Mönche erzählen. Besonders interessant für Freunde der Buchkunst! Zu den Reichenauer Museen.

#3 Meßkirch: Frühmittelalter live auf dem Campus Galli

In Meßkirch – ca. 35 km nördlich von Überlingen – ist man ein großes Wagnis eingegangen. Das frühmittelalterliche Leben der Karolingerzeit mit seinem Handwerk, seiner Landwirtschaft, seiner Kleidung, seinen Gepflogenheiten wird auf dem Campus Galli nachgelebt, gänzlich ohne Maschinen. Als Ziel wurde nichts Geringeres ausgerufen, als den St. Galler Klosterplan umzusetzen. Das braucht Zeit. 40 Jahre Bauzeit sind projektiert.

Unterstützung kam aus St. Gallen, das einen Nachbau der Zelle des heiligen Gallus stiftete. Auf dem Campus Galli ist dort eine Schreinerei untergebracht.

Die Mitarbeiter müssen laufend einen Spagat zwischen geschichtlicher Quellenarmut, plausiblen Erkenntnissen und modernem Baurecht bewältigen. Im Zentrum des Campus Galli liegt der Marktplatz, den man nach einem Rundgang an Handwerkerstationen vorbei erreicht.

Hier steht auch das erste größere Gebäude, das errichtet wurde. Es ist eine Kapelle und in ihrem Umfeld werden Hölzer bearbeitet, die Tabula zu bestimmten Zeiten geschlagen und die Gäste mit mittelalterlichen Speisen und Waren versorgt.

Eine solche Kapelle hatten Mönche im 8./9. Jahrhundert ebenfalls gebaut, wenn sie zur Gründung eines neuen Klosters ausgesandt wurden. Sie folgten damit der Regel des heiligen Benedikt, der die Mönche anhielt: „Dem Gottesdienst soll nichts vorgezogen werden“.

Auf den öffentlichen Führungen erläutern Mitarbeiter wie der Historiker Matthias Hofmann die archäologischen Hintergründe. Auf dem ganzen Areal taucht man in eine besondere Atmosphäre ein, die schon für sich lohnt. Und kein Besuch ist wie der andere, schließlich ist hier alles in Bewegung.

#4 Radolfzell: Mittelaltersprech an der Cella Ratoldi

Auch Radolfzell ist mittelalterlichen Ursprungs und hat eine eigenwillige Gründungsgeschichte. Ratold von Verona wurde im 8. Jahrhundert auf der Reichenau ausgebildet und ging anschließend im Gefolge des zum Bischof ernannten Egino nach Verona. Dieser zog sich nach seiner Demission wieder auf die Reichenau zurück.

Ratold wurde Eginos Nachfolger und wollte es ihm nachtun. Doch auf der Reichenau war kein Platz mehr! Also wies man ihm ein Stück Land auf dem gegenüberliegenden Ufer zu. Dort errichtete er mit seinem Gefolge eine Kleriker-Cella. Aus ihr entstand die heutige Stadt Radolfzell, in dessen Münster man ihm und anderen Heiligen nachspüren kann.

Ein besonderes Erlebnis ist eine historische Stadtführung mit Anna. Die Haushälterin des Pfarrers entführt ihre Gäste ins spätmittelalterliche Jahr 1501. Anna zeigt nicht nur die historischen Ereignisse vor Ort, sie erklärt auch die Bedeutung älterer und teilweise immer noch gängiger Redensarten. Hier lernt man auf angenehmste Weise, was es bedeutet, einen Korb zu bekommen, unter einer Decke zu stecken, unter die Haube oder in Teufels Küche zu kommen.

Gästeführerin Karin Eichhorn macht keinem ein X für ein U vor.

#5 Konstanz: Eine Papstwahl und ihre Folgen

Das Konzil mit der bisher einzigen Papstwahl nördlich der Alpen hat gewissermaßen bis heute Konstanz zur Mittelalter-Metropole am Bodensee gemacht. Zwischen 2014 und 2020 wurden die Feierlichkeiten zum 600jährigen Jubiläum des Konzils begangen. Teile der zahllosen Führungen, Events, Ausstellungen und anderen Angebote sind nach wie vor buchbar.

Damals wie heute sehr verbreitet ist das Jakobspilgern. Konstanz ist das große geistliche Zentrum am Bodensee, nach dem und von dem aus Pilger ihren Weg weiter gehen in Richtung Kloster Einsiedeln oder Basel. Geistliches Ziel für Jakobspilger ist die Mauritiusrotunde im Konstanzer Münster. Die Mauritusrotunde erinnert an das Heilige Grab in Jerusalem.

Die Mauritius-Rotunde im Konstanzer Münster

Motive für das Pilgern sind vielfältig. Die einen wollen ihrer religiösen Berufung nachgehen, andere wollen einfach auf dem Weg leben, wieder andere gehen als Stellvertreter für Kranke, machen den Weg als Gang der Buße oder als Ersatz für den Gefängnisaufenthalte. In der Mauritiusrotunde konnte man durch dreimaliges Umrunden im Gebet einen Ablass erwirken.

#6 Stein am Rhein: Ein Pilgermahl und die Translatio des verbannten Otmar

Stein am Rhein ist voll mittelalterlicher Spuren, Gebäude und Geschichten. Zu den bekannten Sehenswürdigkeiten gehören die Altstadt mit ihren wundervollen Fassaden und den Glasscheiben im Rathaus, das Kloster St. Georgen und das Sagenspiel „No e wili“, die allesamt die Einflüsse des Mittelalters sichtbar werden lassen. Es gibt hier am Ende des Bodensee noch weitere spektakuläre Orte.

Die Insel Werd markiert den Übergang vom Bodensee zum Rhein, vom See zum Strom. Der heilige Otmar, erster Abt des Klosters Sankt Gallen, wurde aus politischen Gründen abgesetzt, gefoltert und auf diese Insel verbannt. Hier starb er auch anno 764 und wurde auf Werd bestattet.

Zehn Jahre später waren die politischen Wirren vorüber und die Mitbrüder aus St. Gallen überführten den Leichnam nach St. Gallen, um ihn dort zu bestatten. Während der Überführung soll ein wüster Sturm gewütet gewütet haben, der den Mönchen auf ihrem Schiff aber nichts anhaben konnte. Nicht einmal die Kerzen erloschen. Heute leben Franziskanermönche auf der Insel Werd und versehen den Pfarrdienst. Auch sie laden zur Teilnahme am Stundengebet ein.

Hoch über der Stadt thront die Burg Hohenklingen. Hier ist ein Restaurant untergebracht und man kann selbst bei schlechtem Wetter tolle Ausblicke genießen. Hier kann man edel essen, aber auch ein einfaches Pilgermahl bestellen. Der einfach anmutende Linseneintopf ist hervorragend zubereitet und voller feiner Aromen.

#7 Immenstaad: Auf der Lädine zwischen Last und Lust

Mit Last ist mit der Lädine der so benamste mittelalterliche Lastenkahn gemeint. Lust dagegen macht die Fahrt auf einem Nachbau dieses Schiffes, nachdem in den 1980er Jahren eine solche Lädine bei Immenstaad auf dem Bodensee-Grund entdeckt wurde.

Mit Hilfe eines Fördervereins baute man ein solches Schiff in Material und Form im Abgleich mit den modernen Schiffsbauregeln nach und bietet es Gästen für Ausfahrten, Events oder in den Ferien für Piratenfahrten an.

Den historischen Hintergründen der Lädine kann man im Archäologischen Landesmuseum in Konstanz nachspüren. Hier ist die Geschichte der Bodensee-Schifffahrt (und vieles andere) sehr schön und lehrreich aufbereitet. Unter anderem gibt es auch eine Darstellung der oben erwähnten Überführung des heiligen Otmar:

#8 Meersburg: Mittelalter-Romantik trifft Bodensee-Leben

Die Alte Burg in Meersburg hat Exklusives anzubieten: sie ist die älteste bewohnt Burg Deutschlands, war Heimstatt der Dichterin Anette von Droste-Hülshoff und liegt in der Nachbarschaft eines einmaligen Umfeldes.

Mehr über das mittelalterliche Angebot gibt’s in einem eigenen Meersburg-Beitrag.

#9 Waldburg: Kaiserliche Reichs-Kleinodien und ein Haufen Geweihe

Im oberschwäbischen Hinterland des Bodensees liegt die Waldburg. Einst im 12. Jahrhundert gegründet, erhielt sie im 13. Jahrhundert eine außerordentliche Aufgabe. Als der Stauferkönig Friedrich II. nach Rom reiste, um sich zum Kaiser krönen zu lassen, ließ er seine Reichs-Kleinodien auf der Waldburg zurück.

Von 1220 bis 1225 wurden sie durch den Truchseß Eberhard von Tanne-Waldburg, seine Soldaten und Mönche von Weißenau bewacht. Heute sind auf der Waldburg hochwertige Repliken ausgestellt. Bevor man die Kammer mit den Reichs-Kleinodien erklimmt, durchläuft man die Ausstellungsräume, in denen die Geschichte der Waldburger dokumentiert ist.

Zu den Reichs-Kleinodien gehört unter anderen die heilige Lanze, die der Legende nach dem heiligen Mauritius gehört haben soll. Reichsapfel, Zepter und Krone sind die weiteren Reichskleinodien.

Auch Andreas schildert seine Eindrücke über das Mittelalter am Bodensee: Besuch der mittelalterlichen Städte. Und Dagmar vom Bestager-Reieblog hat für alle nicht so Mittelalteraffinen andere schöne Ausflugsziele rund um den Bodensee.

#9+1 Ein Mittelalter-Bild durch künstliche Intelligenz erzeugt

Eine künstliche Begegnung zum Thema Mittelalter am Bodensee in einem Gemälde ist aus einer Anweisung an künstliche Intelligenz entstanden: „Create a medieval painting of an interieur with some saints in 14th century style and place two photographed people in modern clothes into the scene“. Das ist das Ergebnis von Dall-e2:

Da hat die KI ungefragt wohl etwas Francis Bacon untergemischt und die Zentralperspektive ist freilich auch nicht angebracht, schließlich kam sie erst in der Renaissance auf. Aber es ist schon spannend zu beobachten, wie sich das Ganze weiter entwickeln wird.

Transparenzhinweis: die Recherchen zu diesem Artikel wurden bis hierher von der Tourismus Marketing Baden-Württemberg und der Internationalen Bodensee Tourismus durch eine Presse-Gruppenreise sowie von Hymer durch Bereitstellung eines Wohnmobils unterstützt.

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